Wurzeln
Hochzeitsnacht blutig verliefen. Alle Welt wußte, daß am Morgen nach der Hochzeit beide Mütter das weiße Tuch, auf dem das junge Paar geschlafen hatte, in einen Flechtkorb legten und die Blutflecken dem alimamo vorwiesen zum Beweise der Jungfräulichkeit der Braut; erst dann marschierte der alimamo durchs Dorf und ließ seine Trommel verkünden, daß Allah den Bund der Eheleute gesegnet habe. Fand sich kein Blut auf dem Tuch, verließ der junge Ehemann die Hütte, nahm die beiden Mütter zu Zeugen und rief dreimal: »Ich scheide mich von dir!« so laut, daß alle es hörten.
Teriya kam aber ohne alles das aus, es bedeutete weiter nichts, als daß junge Männer mit willigen Witwen schliefen, die auch für sie kochten. Als nach der letzten Ratssitzung die Zuhörer sich verliefen, hatte Jinna M’Baki ihm einen Blick zugeworfen, der unverhohlen ausdrückte, wonach ihr der Sinn stand. Unwillkürlich drückte er seinen harten foto , bekämpfte aber den Drang, ihn zu streichen, weil das darauf hätte schließen lassen, daß er dem Ansinnen der Witwe nachgab, und allein der Verdacht war ihm schon peinlich. Er redete sich ein, daß er mit Jinna nicht intim werden wollte; immerhin hatte er als Mann jetzt wohl das Recht, an teriya wenigstens zu denken? Um so mehr, als die Ältesten zu erkennen gegeben hatten, daß man dies tun durfte, ohne sich dessen schämen zu müssen.
Nun fielen ihm die Mädchen ein, an denen er auf dem Rückweg vom Goldsuchen mit Lamin vorbeigekommen war. Es war ein knappes Dutzend gewesen, alle wunderschön schwarz, in enganliegenden Gewändern, mit bunten Perlen und Armreifen geschmückt, mit prallen Brüsten und anmutig geflochtenem Haar. Die hatten sich so sonderbar betragen, als Kunta vorüberging, daß es eine Weile dauerte, bis er die Erklärung dafür fand. Wenn sie wegsahen, sobald sie seinem Blick begegneten, hieß das offenbar nicht, daß sie nicht an ihm interessiert waren, sondern daß sie wollten, er solle sich für sie erwärmen.
Frauen waren so schwer zu verstehen! Seine Altersgenossinnen in Juffure beachteten ihn so wenig, daß sie sich nicht einmal die Mühe machten wegzusehen, wenn er vorüberging. Lag es daran, daß sie ihn so genau kannten? Oder weil sie wußten, daß er viel jünger war, als er aussah, jedenfalls viel zu jung, um ihr Interesse zu verdienen? Die Mädchen, die er da unterwegs gesehen hatte, nahmen wohl an, daß ein reisender Mann, der von einem Knaben begleitet wurde, mindestens zwanzig bis fünfundzwanzig Regen zählte, jedenfalls keine siebzehn. Hätten sie das gewußt, sie hätten sich ebenfalls verächtlich abgewendet. Und doch – eine Witwe, die genau wußte, wie alt er war, hatte es auf ihn abgesehen. Vielleicht ist es ja ein Glück, daß ich nicht älter bin, dachte Kunta. Wäre ich älter, die Mädchen von Juffure würden sich ebenso albern benehmen wie die, die ich unterwegs gesehen habe, und im übrigen haben sie ja doch bloß einen einzigen Gedanken im Kopf: Heiraten. Jinna M’Baki ist wenigstens alt genug, nicht mehr als eine teriya -Freundschaft zu erwarten. Warum heiratet man eigentlich, wenn man auch auf diese Weise eine Frau fürs Bett haben kann, die einen bekocht? Dafür muß es doch Gründe geben? Kunta überlegte: wahrscheinlich bekommen nur verheiratete Männer Söhne. So muß es selbstverständlich sein. Nur wer schon eine beträchtliche Weile auf der Welt war, wer nicht nur von seinem Vater, vom kintango und vom arafang gelernt, sondern wie die Onkel selber was von der Welt gesehen hatte, war ja imstande, seinen Söhnen etwas beizubringen!
Die Onkel waren immer noch nicht verheiratet, obwohl sie mehr Regen zählten als Kuntas Vater und Männer ihres Alters meist schon eine zweite Frau genommen hatten. Dachte etwa auch Omoro daran, eine zweite Frau zu nehmen? Dieser Einfall kam Kunta so überraschend, daß er zusammenschrak. Wie würde Binta das aufnehmen? Nun, als die Ältere würde seine Mutter der neuen Frau mindestens die Arbeit zuweisen und bestimmen können, wann wer von den beiden mit Omoro schlafen würde. Ob es wohl Zank und Streit geben würde zwischen den beiden Frauen? Nein, Binta war bestimmt nicht so wie die erste Frau des kintango , die unentwegt mit seinen anderen Frauen stritt, so daß er keine Ruhe mehr hatte.
Kunta ließ jetzt die Beine über den Rand seines Hochsitzes baumeln, um einen Wadenkrampf zu vermeiden. Unter ihm, am Fuß des Baumes, hatte sich sein wuolo- Hund zusammengerollt. Sein glattes braunes Fell
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