Wurzeln
sehr mit seinem Ausflug geprahlt. Er war inzwischen im jujuo gewesen, hatte also eine Ausbildung erhalten, die ihn zu einem brauchbaren Reisegefährten machte.
Das eigentliche Motiv Kuntas war aber, daß er sich Gesellschaft für seine Reise wünschte.
Kunta stellte sich vor, was für ein Gesicht Lamin machen würde, wenn er ihn in seine Pläne einweihte, und er mußte im Dunkeln dabei grinsen. Selbstverständlich wollte er das ganz beiläufig tun, so als sei ihm gerade eben erst der Gedanke gekommen. Zuvor allerdings würde er mit dem Vater sprechen müssen, der aber, das wußte Kunta nun, keine prinzipiellen Bedenken hätte, vielmehr stolz sein würde auf seine Söhne; Binta würde sich nicht mehr so grämen wie beim ersten Mal, wenn sie bestimmt auch besorgt sein würde. Schon überlegte Kunta, was er seiner Mutter aus Mali mitbringen könnte und woran sie vielleicht noch mehr Freude haben würde als an den mit Goldstaub gefüllten Federkielen. Etwa besonders schön geformte Tongefäße oder einen Ballen teuren Stoff? Omoro und die Onkel hatten erwähnt, daß die Frauen der Kinte aus Mali berühmt gewesen waren für die Gefäße, die sie töpferten, und für die schönen Muster ihrer Webarbeiten, also gab es vielleicht auch heute noch Frauen seiner Familie, die diese Dinge in Mali herstellten.
Nach der Rückkehr aus Mali könnte er schon die nächste Reise planen, fiel Kunta ein. Vielleicht könnte er sogar jene endlose Sandwüste durchqueren, von der die Onkel erzählt hatten, und jene sonderbaren Tiere sehen, die in zwei Höckern auf dem Rücken Wasser aufbewahrten. Mochten Kalilu Conteh und Sefo Kela es immerhin mit ihren häßlichen alten teriya- Witwen treiben, er, Kunta Kinte, würde eine Pilgerfahrt nach Mekka antreten. Kunta, der zufällig gerade in diesem Moment in Richtung Mekka blickte, sah in der Ferne einen winzigen gelben Lichtpunkt. Der Fulanihirte hatte offenbar ein Feuer angezündet und bereitete sein Frühstück. Kunta hatte nicht einmal bemerkt, daß es im Osten hell geworden war.
Er griff nach seinen Waffen und wollte sich auf den Heimweg machen, da fiel sein Blick auf die Axt, und er erinnerte sich: er wollte den Rahmen für seine Trommel machen. Eigentlich fühlte er sich zu müde, die Sache hatte doch wohl bis morgen Zeit? Aber nein, hier war er schon halbwegs am Wald, und wenn er jetzt nicht nach passendem Holz suchte, würde er es wieder verschieben bis zur nächsten Wache in zwölf Tagen. Überdies war es eines Mannes unwürdig, der Müdigkeit nachzugeben. Er prüfte seine Beine, ob sich irgendwo ein Krampf anmeldete, und kletterte nach unten, wo der Hund ihn bereits erwartete und schwanzwedelnd umsprang. Kunta verrichtete kniend das suba-Gebet , stand auf, reckte sich, sog tief die frische Morgenluft ein und ging mit großen Schritten in Richtung des Flusses.
Kapitel 33
Als Kunta so dahinlief, schnupperte er die Wohlgerüche ein, die wilde Blumen verbreiteten. Der Tau, der im ersten Sonnenschein glitzerte, näßte ihm die Beine. Am Himmel kreisten beutesuchend Falken, und in den Gräben längs des Pfades quakten Frösche. Kunta machte einen großen Bogen um einen Baum, der so voller Amseln saß, daß es aussah, als trüge er schwarzes Laub. Er hätte sich die Mühe allerdings sparen können, denn kaum hatte er den Baum hinter sich, hörte er lärmendes Krächzen, und als er sich umwandte, sah er, daß ein Krähenschwarm die Amseln von ihrem Platz vertrieben hatte.
Er näherte sich nun den Mangroven, die sich vom Ufer des bolong landeinwärts erstreckten, und atmete den moschusartigen Geruch in tiefen Zügen, ohne aber schon außer Atem gekommen zu sein. Wilde Schweine begannen bei seinem Anblick zu grunzen, was wiederum die Paviane zum Schimpfen brachte; die großen Männchen stellten sich schützend vor Weibchen und Junge. Früher wäre Kunta stehengeblieben, hätte die Affen nachgemacht und ihnen Fratzen geschnitten, denn das ärgerte die Männchen, die dann zornig wurden und gelegentlich mit Steinen warfen. Er war aber kein Knabe mehr, er hatte gelernt, alle Geschöpfe Allahs zu behandeln, wie er selber behandelt werden wollte: mit Achtung.
Kraniche, Reiher, Störche und Pelikane flogen von ihren Schlafplätzen auf, als Kunta sich durch Mangrovendickichte zum Fluß drängte. Sein wuolo- Hund rannte vorneweg und jagte Wasserschlangen und Schildkröten ins Wasser, in das sie eintauchten, ohne die Oberfläche zu kräuseln.
Wie immer, wenn er nach durchwachter Nacht den Wunsch
Weitere Kostenlose Bücher