Wurzeln
Ausspruch war bald in aller Munde.
Als Kunta seinem Vater begegnete, sagte dieser nur: »Gut gemacht, mein Sohn.« Doch empfanden sie füreinander womöglich noch größere Zuneigung, als Kunta soeben für seine Mutter empfunden hatte. In den nun folgenden Tagen fing Kunta von manchen der Ältesten ein besonderes Lächeln auf, wenn er ihnen im Dorf begegnete, sie sprachen ihn wohl auch an, und er antwortete besonders ehrerbietig. Suwadus Kameraden aus dem zweiten kafo bedachten ihn mit noch größerer Hochachtung als sonst, sie grüßten ihn, wenn er vorüberging, und blieben mit vor die Brust gehaltenen Händen stehen, bis er vorüber war. Einmal schnappte Kunta im Vorbeigehen sogar auf, daß Binta von »den zwei Männern« redete, die sie zu verköstigen habe, und es machte ihn stolz, daß die Mutter endlich begriffen hatte, daß er ein Mann war.
Er ließ sich nun gern gefallen, daß sie ihm sein Essen brachte, ja, er ließ sich den Kopf von ihr nach Zecken absuchen, was er bisher verweigert hatte, was sie zornig machte. Auch dachte er sich nichts mehr dabei, sie hin und wieder in ihrer Hütte zu besuchen. Binta wiederum genoß das alles sehr, sie strahlte und sang am Küchenfeuer. Kunta fragte gelegentlich beiläufig, ob er was für sie erledigen könne, und wenn es so war, bat sie ihn darum. Er tat das dann immer so bald als möglich. Ein Blick von ihm brachte Lamin oder Suwadu zum Verstummen, wenn sie übermäßig lärmten. Den kleinen Madi warf er gern in die Höhe und fing ihn wieder auf, und dem Kleinen gefiel das ebenso gut. Für Lamin rangierte Kunta augenscheinlich gleich hinter Allah. Kuntas sieben Ziegen – sie vermehrten sich prachtvoll – wurden von Lamin gehütet, als wären sie aus Gold, und er half Kunta bei der Arbeit in den Erdnüssen und im Mais.
Hatte Binta etwas in der Hütte zu erledigen, nahm Kunta ihr die Brüder ab, und sie schaute ihm stolz nach, wenn er abzog, mit Madi auf der Schulter, Lamin hinterher stolzierend wie ein Gockelhahn und Suwadu eifersüchtig den Schluß bildend. Kunta fand das alles sehr schön, es gefiel ihm so, daß er Lust auf eigene Kinder bekam. Doch soweit ist es noch nicht, ermahnte er sich. Bis dahin vergeht noch viel Zeit.
Kapitel 31
Kunta und sein kafo hatten Erlaubnis, an den einmal im Monat stattfindenden förmlichen Sitzungen der Ältesten teilzunehmen, und zwar im äußersten Kreis unter dem alten Brotfruchtbaum sitzend. Die auf gegerbten Häuten kauernden sechs Ältesten kamen Kunta so alt vor wie der Baum selber und schienen auch aus dem gleichen Holz gemacht, nur waren sie schwarz wie Ebenholz, und die weißen langen Gewänder und Käppchen bildeten einen starken Kontrast dazu. Ihnen zugewandt, saßen Männer, die Anliegen vortrugen oder um die Schlichtung eines Streites baten. Hinter diesen wiederum saßen dem Alter nach angeordnet die übrigen Männer, zunächst solche im Alter von Omoro, hinter ihnen die von Kuntas kafo. Dahinter durften auch Frauen Platz nehmen, was sie allerdings selten taten, ausgenommen, die Ältesten verhandelten eine Sache, die ihre Familie betraf. Ganz selten fanden sich alle Frauen ein, nämlich dann, wenn es sich um einen saftigen Skandal handelte.
Wurden Fragen der Dorfverwaltung beraten oder die Beziehungen Juffures zu anderen Dörfern, waren überhaupt keine Frauen zugegen. Handelte es sich um Dinge, die alle angingen, war der Kreis der Zuhörer groß und laut, allerdings wurde es sogleich still, wenn der Ältestenvorsteher den mit bunten Perlenschnüren geschmückten Stab hob und damit auf die Trommel den Namen des ersten Antragstellers klopfte. Zuerst wurden immer die Betagtesten gehört, aus Rücksicht auf ihr Alter. Der Aufgerufene erhob sich und brachte sein Anliegen vor. Die Ältesten ließen ihn ausreden, den Blick zu Boden gesenkt. Danach stellte der eine oder andere der Ältesten eine Frage.
Handelte es sich um einen Streit, kam sodann die Gegenpartei zu Wort, und wieder wurden Fragen gestellt. Anschließend drehten die Ältesten sich um, sie wandten den Versammelten den Rücken zu und berieten sich, was sehr lange dauern konnte. Manchmal stellten sie auch weitere Fragen. Schließlich kehrten sich alle Ältesten gleichzeitig um, der Bittsteller oder die betroffenen Parteien wurden mit einer Geste aufgefordert aufzustehen, der Ältestenvorsteher verkündete die Entscheidung und ließ die Trommel den nächsten aufrufen.
Selbst den jungen Männern in Kuntas Alter kam das meiste, was hier verhandelt wurde, wie
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