Wurzeln
silbrigem Blinken erfüllten. Plötzlich ertönte ein Schrei, und Kunta sah, wie der große tätowierte Wolof gerade einem toubob den Eisenstock entriß. Den Stock wie eine Keule schwingend, schlug er dem toubob damit auf den Kopf, daß sein Hirn auf die Planken spritzte; noch bevor die anderen toubobs aus ihrer Erstarrung erwachten, schlug er bereits einen zweiten tot. Alles ging so schnell, daß der rasende Wolof schon seinen fünften toubob tötete, als ein langes Messer seinen Kopf glatt von den Schultern trennte. Der Kopf polterte auf die Planken, ehe der Rumpf zusammensackte, und aus beiden sprudelte Blut. Die Augen des Wolof waren noch geöffnet, sie blickten sehr überrascht.
Aufgeregt schreiend liefen immer mehr toubobs herbei – sie stürzten aus Türen und kletterten wie Affen zwischen den windgebauschten weißen Tüchern herunter. Die Frauen kreischten, und die gefesselten Männer hockten sich im Kreis hin. Die Eisenstöcke spien Feuer und Rauch, aus der großen schwarzen Röhre fuhren Donner und heißer Qualm dicht über ihre Köpfe hinweg, und alle fielen entsetzt aufheulend übereinander.
Der weißhaarig toubob und sein narbengesichtiger Gehilfe sprangen wutschnaubend hinter der Barrikade hervor. Der Große versetzte dem ihm zunächst stehenden toubob einen Schlag, daß ihm Blut aus dem Mund rann, und im Nu formierten sich alle toubobs zu einer brüllenden Mauer. So trieben sie mit Peitschen, Messern und Feuerstöcken die Gefesselten durch die geöffnete Luke. Kunta stolperte im Haufen mit, ohne die Peitschenhiebe zu spüren, denn noch immer wartete er auf das Zeichen des Foulah zum Angriff. Ehe er es noch recht merkte, waren sie schon wieder unten und an ihre Plätze angekettet. Die Luke wurde zugeschlagen.
Sie waren jedoch nicht unter sich. In der allgemeinen Verwirrung war ein toubob mit eingeschlossen worden. Er rannte im Dunkeln hierhin und dorthin, er stolperte und fiel über Pritschen, er schrie vor Angst, raffte sich auf, wenn er gestürzt war, und rannte weiter. Sein Heulen und Brüllen erinnerte an ein wildes Tier. »Toubob fa!« rief es plötzlich, und andere Stimmen fielen ein: »Toubob fa! Toubob fa!« Lauter und lauter wurde das Gebrüll, und der toubob wußte wohl, daß er gemeint war, denn er stieß winselnde Laute aus. Kunta lag wie erstarrt und vermochte sich nicht zu rühren. In seinem Kopf dröhnte es, Schweiß brach ihm am ganzen Körper aus, und er rang nach Luft. Da wurde plötzlich die Luke aufgerissen, und ein Dutzend toubobs kamen die Treppe heruntergepoltert. Peitschenhiebe trafen den eingesperrten toubob , bevor er ihnen begreiflich machen konnte, daß er einer der Ihren war.
Gleich darauf wurden die Männer wieder losgekettet und mit Schlägen und Tritten hinaufgetrieben, wo sie zusehen mußten, wie vier toubobs mit schweren Peitschen den kopflosen Körper des Wolof zu Brei schlugen. Die nackten Rücken der Gefangenen glänzten von Schweiß und dem Blut, das aus ihren Wunden floß, aber kein Laut kam aus ihrer Gruppe. Alle toubobs waren jetzt schwer bewaffnet, und Mordlust stand auf ihren Gesichtern. Dann knallten wieder die Peitschen, die nackten Männer wurden ins Dunkel zurückgetrieben und an ihren Plätzen angekettet.
Es dauerte lange, bis der erste zu flüstern wagte. Als Kunta sich so weit beruhigt hatte, daß er wieder denken konnte, tröstete er sich mit der Gewißheit, daß er nicht als einziger den Wolof für sein todesmutiges Kämpfen und Sterben bewunderte. Er hatte jeden Moment erwartet, der Foulah werde das Zeichen geben, doch das Zeichen war ausgeblieben. Kunta war verbittert, denn was auch immer geschehen wäre, jetzt wäre es vorüber. Und warum nicht jetzt? Würde etwa ein günstigerer Augenblick kommen? Gab es einen Grund, sich an das Leben in diesem stinkenden Dunkel zu klammern? Er wünschte, er hätte sich wie früher mit seinem Kettengenossen verständigen können, aber der Wolof war ein Ungläubiger.
Als der Foulah dafür beschimpft wurde, daß er nicht gehandelt hatte, schnitt dieser jede weitere Diskussion ab, indem er verkündete, der Angriff werde erfolgen, wenn alle Männer aus diesem Laderaum das nächste Mal an Deck tanzten und die toubobs am sorglosesten wären. »Viele von uns werden sterben«, sagte der Foulah, »so wie unser Bruder für uns gestorben ist – aber unsere Brüder in dem Laderaum unter uns werden uns rächen.«
Das nun einsetzende Murmeln klang beifällig. Kunta lag im Dunkel und lauschte wieder dem Reiben einer
Weitere Kostenlose Bücher