Wut im Quadrat - Mannheim-Krimi
weit mehr als 20 Grad warm war, fröstelte sie und eine Gänsehaut überzog ihren schlanken Körper. Reià dich zusammen, es wird schon alles gut gehen, ermahnte sie sich, als sie erneut ein kalter Schauer durchfuhr.
Sie versuchte sich zu beruhigen, doch es ging nicht. Sie keuchte. Sie war nach dem schweiÃtreibenden Marsch hinauf zur Wegscheide immer noch völlig auÃer Atem und ihr Puls pochte wie wild an ihre Schläfen. Die Luft war schwer, trocken und staubig und es roch nach abgemähten Feldern und sattem Heu.
Um sie herum war es dunkel. Einsam.
Sie stand oben auf der Anhöhe und schaute zurück. Hinter ihr lag in der Talsenke in einem hellen Lichterglanz Nöggenschwiel, das Rosendorf des Schwarzwalds.
Es feierte das 28. Rosenfest.
Und sie war die neue Königin der Rosen.
Es war keine zwei Stunden her, da war sie gekrönt und feierlich in ihr neues Amt eingeführt worden. Nun wartete ein Jahr voller Empfänge, Auftritte und Präsentationen auf sie. Ob als Blumen-Botschafterin im Ausland, gefragte Expertin auf Rosen-Messen oder Repräsentantin der gesamten, zwischen Rhein und Hochschwarzwald gelegenen Urlaubsregion â sie wusste, was sie in den kommenden zwölf Monaten alles erwarten würde.
Sie schloss für einen kurzen Augenblick die Augen, während die warme Sommerluft, ihren zarten, fast schon zerbrechlichen Körper streichelte. Ihre dunkelbraunen langen Haare tanzten, als der Wind auflebte und eine kräftige Brise über sie hinweg wehte. Nur mit Mühe konnte sie ihre filigrane Krone festhalten, die beinahe vom Wind weggeweht wurde. Der schwarze faltenreiche Rock ihres Trachtenkleids, dessen samtener Brustbereich mit aufwendigen Goldstickereien dekoriert war, und die mit roten Rosen bedruckte Schürze flatterten im Spiel des Windes und legten dabei ihre schlanken, leicht gebräunten Beine frei. Die grobmaschig gestrickten weiÃen Kniestrümpfe hatte sie bereits kurz nach der feierlichen Zeremonie ausgezogen, nachdem die rund 2.000 Stimmen ausgezählt waren und sie mit fast 90 Prozent Zustimmung zur klaren Siegerin der diesjährigen Wahl gekürt worden war.
Schon als kleines Mädchen hatte sie sich nichts sehnlicher gewünscht, als einmal Rosenkönigin zu werden.
Immer und immer wieder hatte sie sich in Mamas Kleider gehüllt, eine selbst gebastelte Krone ins Haar gesteckt und sich vor dem Spiegel gedreht, um im Anschluss daran ihren Puppen ihre selbst verfasste Rede als frisch gekrönte Rosenkönigin zum Besten zu geben.
Das war zehn Jahre her. Nun war ihr gröÃter Wunsch endlich in Erfüllung gegangen. Aber was hatte sie davon? Sie wusste, dass sie ihren Traum nie würde ausleben können. Denn sie wollte ihn gegen einen noch viel schöneren eintauschen. Einen Traum, der nicht nur wahr werden, sondern von jetzt auf gleich ihr gesamtes Leben verändern würde.
Unter ihr flackerten in den StraÃen rote, gelbe und weiÃe Lampions, die den Ort in ein warmes Licht tauchten. Das ganze Dorf â und mit ihm mindestens noch mal so viele Touristen, Urlauber und Rosenliebhaber â war auf den Beinen, denn niemand wollte sich das Ereignis des Jahres entgehen lassen. Das Rosenfest war der jährliche Höhepunkt des schönen und warmen Sommers in Nöggenschwiel. Das Rosendorf, das 360 Tage im Jahr einen romantisch-verträumten Dornröschen-Schlaf hielt, blühte am Wochenende des Rosenfests auf. An diesem Wochenende feierte das ganze Dorf die Rosenkönigin mit der Wahl am Samstag und dem prächtigen Rosenumzug am Sonntagnachmittag.
Die Ferienwohnungen, Apartments und Zimmer waren auf Jahre im Voraus gebucht und die Stammgäste genossen die Feierlichkeiten, die es in dieser traditionellen Art und Weise nirgendwo anders gab. Ob Hinweisschilder, StraÃenlaternen oder Fensterbretter â alles war mit Rosen verziert, mit Blumenarrangements dekoriert und bunten Girlanden geschmückt. Vor allem die Gärten, Pavillons und Beete waren ein einziges Blumenmeer in den schönsten Farben.
Und das alles würde sie jetzt hinter sich lassen. Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie freute sich auf das, was sie erwartete, wäre da nicht dieser furchtbare Streit gewesen. Ein Streit, der beinahe alles zunichte gemacht hätte. Aber daran wollte sie jetzt nicht denken. Nicht jetzt.
Es schauderte sie erneut.
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie das
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