Wut im Quadrat - Mannheim-Krimi
Scheinwerferlicht eines Autos zwischen den Tannen und Fichten des kleinen Wäldchens an der nahegelegenen BundesstraÃe unruhig auf und ab tanzte. Unwirklich wie kleine Sterne am Horizont flakkerten die gelben Punkte, die langsam immer gröÃer wurden, je näher der Wagen kam. Sie wich ein wenig von der StraÃe zurück, als das Auto sie fast erreicht hatte. Für einen Moment hatte sie das Gefühl, der Fahrer hätte aufgeblendet und sie grüÃen wollen. Doch der Wagen verlangsamte sich nicht, sondern lieà sie im Sommerwind zurück.
Es wird schon alles gut werden. Er kriegt sich schon wieder ein. Er liebt mich doch, dachte sie, als sie dem Wagen gedankenverloren hinterher sah. Er würde sie schon gleich abholen und mitnehmen, so hatte er es ihr versprochen.
Sie schloss die Augen. Trotz all der Ungewissheit fühlte sie sich frei und ungezwungen. Sie war glücklich und doch war es ein Glück mit einem bitteren Beigeschmack. Denn sie wusste, sie würde ihren Vater so sehr verletzen wie noch kein Mensch zuvor.
Sie stellte sich gerade sein Gesicht vor, wie er erst nach Luft ringen, dann furchtbar wütend werden und anschlieÃend zusammenbrechen würde, wenn sie ihm ihren Entschluss mitteilen würde.
Ihr Vater. Sie war sein Ein und Alles. Das wusste sie schon lange bevor ihre Mutter von jetzt auf gleich mit einem Lehrerkollegen durchgebrannt war. Und nun würde sie durchbrennen und ihrem Vater ebenfalls das Herz brechen. Aber es ging einfach nicht anders, und er würde es sicherlich verstehen, wenn erst einmal ein wenig Zeit ins Land gegangen war. Sie beglückwünschte sich dabei selbst zu ihrem genialen und doch so einfachen Plan.
Denn sie musste fliehen â vor dem Dorf und seinen Menschen und vor ihm.
Schon wieder hatte er sie angesprochen. Nur: Dieses Mal hatte er es nicht heimlich getan wie sonst, wenn er sie vor der Kirche, an der Bushaltestelle oder nach dem Einkauf im Lädele abpasste. Er hatte sie vor allen Leuten und mitten auf der Tanzfläche der Rosendorfhalle angesprochen. Er hatte so stark geschwitzt, dass ihm der Schweià an seinen Schläfen heruntergelaufen war. Seine Finger hatten nervös am untersten Knopf seines kurzärmeligen Karohemdes gespielt, als er sie angesprochen hatte.
âHallo!â
Er hatte gezögert und vorsichtig nach links und rechts geschaut, ehe er fortgefahren war: âGut siehst du aus. Fast zu schön, um wahr zu sein.â Seine Augen hatten kurz aufgeblitzt und ein Funkeln in sich getragen, das ihr jetzt noch einen unheimlichen Schauer über den Rücken laufen lieÃ.
Sie war so perplex gewesen, dass sie ihn irritiert angestarrt hatte. Nicht imstande, irgendetwas darauf zu erwidern. âDankeâ, war das Einzige, was ihr über die Lippen gekommen war.
Er hatte süffisant gelächelt und sie von oben bis unten gemustert. Fast so, als wolle er sie mit seinem Blick in sich aufsaugen.
Ein Teil von ihr sein.
âSchenkst du mir einen Tanz?â, hatte er gefragt, und sie erinnerte sich, wie das Funkeln in seinen Augen einem tiefen Verlangen gewichen war.
âIch ⦠Ich ⦠will mich nur kurz frisch machenâ, hatte sie mehr gestottert als geantwortet in der Hoffnung, er würde ihr jetzt keine Szene machen. So war sie dann schnell zu den Waschräumen geeilt. Kurz vor den Toiletten war sie scharf nach rechts abgebogen und durch den Seitenausgang der Halle ins Freie geflüchtet, um das Rosenfest, die vielen Menschen und vor allem ihn endlich hinter sich zu lassen.
Sie musste noch einmal tief durchatmen. So langsam machte sie sich Sorgen, wo ihr Lebensretter denn nun endlich bleiben würde. Nun stand sie bereits weit über eine halbe Stunde auf der Anhöhe und wartete auf ihn. Sie konnte den süÃen Duft der Freiheit schon förmlich riechen. Mit ausgebreiteten Armen drehte sie sich im Wind und spürte das Leben.
Ihr Leben.
Plötzlich überkam sie das Gefühl, dass sie nicht alleine war. Sie hielt inne und hörte in die Stille hinein, die nur vom Säuseln des Windes und dem Zirpen der Grillen unterbrochen wurde. In weiter Ferne vernahm sie das sanfte Rauschen der Bäume und die ausgelassenen und fröhlichen Stimmen der an der Rosendorfhalle feiernden Menschen.
War da jemand? Ein Schatten? Sie konnte in der Dunkelheit nichts erkennen. Es gab keine StraÃenlaternen an dieser Weggabelung und das diffuse Mondlicht war zu kraftlos, als dass
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