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Wut

Wut

Titel: Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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erringen - sie hätten geantwortet, daß sie frei seien, freier als irgendeine Frau in irgendeinem Land zu irgendeiner Zeit, und daß sie keinem Mann gehörten, ob Vater, Liebhaber oder Boss. Sie waren niemandes Puppen, sondern gehörten ganz sich selbst, spielten mit ihrer eigenen Erscheinung, ihrer eigenen Sexualität, ihren eigenen Geschichten: die erste Generation junger Frauen, die wirklich die Zügel in der Hand hielt, weder dem alten Patriarchat noch dem männerhassenden Hardliner-Feminismus hörig, der Blaubarts Tür aufgebrochen hatte. Sie konnten Karrierefrau und Kokotte sein, tiefgründig und oberflächlich, ernst und heiter, und sie trafen ihre eigenen Entscheidungen. Sie hatten alles - Emanzipation, Sex appeal, Cash und sie genossen es. Und dann kam jemand und nahm ihnen das alles, indem er ihnen den Schädel einschlug, sie mit dem ersten Schlag bewußtlos machte und ihnen mit den anderen den Rest gab. Also, wer war dieser Killer? Wenn es Entmenschlichung war, für die man sich interessierte, dann war dieser Mörder die richtige Adresse. Nicht sie selbst, sondern er, der Betonkiller, hatte sie entmenschlicht. Professor Malik Solanka, dem die Tränen übers Gesicht liefen, als er auf einem Barhocker tief gebeugt vor seinem Tequila saß, barg den Kopf in beiden Händen.
    Saskia Schuyler hatte in einer Wohnung mit vielen, jedoch niedrigen Räumen in einem Haus gewohnt, das sie als das häßlichste Gebäude der Madison Avenue bezeichnete, eine Monstrosität aus düsterem Backstein, gleich gegenüber der Armani-Filiale, dessen einziger Vorteil es nach Skys Meinung war, daß sie dort im Geschäft anrufen und verlangen konnte, daß man die Kleider ins Schaufenster hob, damit sie sie durchs Fernglas betrachten konnte. Sie haßte die Wohnung, die ehemalige Zweitwohnung ihrer Eltern in New York. Die Schuylers lebten zumeist außerhalb der Stadt auf einem eingezäunten Grundstück in der hügeligen Landschaft von Chappaqua, New York, und verbrachten viel Zeit mit Beschwerden darüber, daß die Clintons sich ein Haus in der Nähe ihrer Heimatstadt gekauft hatten. Sky, erzählte Bradley Marsalis, pflegte ihren Eltern beruhigend zu sagen, daß Hillary nicht lange dort bleiben werde. »Wenn sie gewinnt, geht sie nach D. C. und in den Senat, und wenn sie verliert, wird sie noch schneller verschwinden.« Inzwischen wollte Sky die Wohnung an der Madison verkaufen und nach Tribeca umziehen, aber die Eigentümerversammlung hatte die Käufer, die sie gefunden hatte, dreimal abgelehnt. Das Thema Eigentümerversammlung brachte Sky auf die Palme. »Das sind doch nur mit Haarspray zugekleisterte, alte Weiber in fürchterlich engen, glänzenden Kleidern. Die sehen doch wie fest gepolsterte Sofas aus, und ich glaube, wenn man dazugehören will, muß man auch wie ’n Möbelstück aussehen.« Aber das Haus hatte einen Vierundzwanzig-Stunden-Türsteher-Service, und der diensttuende Nachtwächter, der alte Abe Green, berichtete, daß Miss Schuyler, als sie nach einer pompösen Nacht auf einer Musik-Preis-Gala ( Horse hatte Verbindungen zur Branche) gegen halb zwei Uhr nach Hause gekommen sei, wie ’ne Million Dollar ausgesehen hätte. Sie habe sich an der Tür von einem eindeutig widerstrebenden Mr. Marsalis getrennt - »Mann, hat der beschissen ausgesehen!« stellte Green fest - und war bedrückt zum Lift gegangen. Green war mit ihr nach oben gefahren. »Damit sie ein bißchen lächelte, hab ich zu ihr gesagt, zu schade, daß Sie nur im vierten Stock wohnen, Miss, sonst könnte ich Ihren Anblick ein bißchen länger genießen.« Eine Viertelstunde später habe sie wieder den Lift gerufen. »Alles okay, Miss?« hatte Abe sie gefragt. »Ach ja, ich glaube schon. Ja, sicher, Abe«, sagte sie. »Sicher.« Dann hatte sie - immer noch in ihrer Party-Aufmachung - ganz allein das Haus verlassen und war nicht mehr zurückgekommen. Ihre Leiche wurde weit entfernt, downtown bei der Einfahrt zum Midtown Tunnel gefunden. Eine Recherche über die letzten Stunden von Lauren Klein und Bindy Candell ergab, daß auch sie erst spät nach Hause gekommen waren, ihren Boyfriends den Zutritt verweigert und kurz darauf das Haus wieder verlassen hatten. Als hätten die Mädchen das Leben selbst zurückgewiesen, um statt dessen zu einem Rendezvous mit dem Tod zu gehen.
    Saskia, Lauren und Belinda waren nicht ausgeraubt worden. Ihre Finger- und Ohrringe, ihre Halsketten und Armreifen waren alle an Ort und Stelle gefunden worden. Auch sexuell waren sie nicht

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