Wut
das Uptown Girl, liebte große Hüte und teure Mode, hätte für alle laufen können - Jean-Paul, Donatella, Dries hatten sie alle angefleht, Tom Ford war vor ihr auf die Knie gefallen, aber sie war einfach von Natur aus zu schüchtern . Daß sie dabei nicht mitmachte, gehörte zum Kodex der alteingesessenen Oberklasse. Sie gehörte ganz und gar zu jener Snobberia mit uraltem Geld, für die Couturiers stets Schneider blieben und Catwalk-Models kaum besser als Huren waren - und außerdem besaß sie ein Stipendium für Juilliard. Letztes Wochenende noch hatte sie es eilig gehabt, nach Southampton rauszufahren, brauchte irgendwas zum Anziehen, keine Zeit zum Auswählen, also rief sie ihre Busenfreundin, die Luxus-Designerin Imelda Poushine, an und bat sie, ihr die gesamte Kollektion zu schicken, woraufhin sie ihr per Boten einen Scheck über vierhunderttausend Dollar zukommen ließ.
Ja, äußerte sich Imelda dazu in Rush & Molloy , der Scheck ist vor zwei Tagen honoriert worden. Sie war ein großartiges Mädchen, eine lebende Puppe, aber Geschäft ist Geschäft, nehm ich mal an. Sie wird uns allen ganz furchtbar fehlen. Ja, im Familiengrab, im besten Teil, direkt gegenüber von Jimmy Stewart. Alle gehen hin. Enorme Sicherheitsmaßnahmen. Wie ich höre, wollen sie sie im Brautkleid beerdigen. So eine Ehre. Sie wird wundervoll aussehen, aber glauben Sie mir, dieses Mädchen würde sogar in Lumpen wundervoll aussehen. Ja, ich werde sie anziehen. Soll das ein Witz sein? Es ist mir eine Ehre . Der Sarg wird offenbleiben. Die Allerbesten haben sie engagiert: Sally H. für die Frisur, Rafael fürs Make-up, Herb für die Fotos. Keine Grenzen nach oben. Ihre Mutter organisiert das Ganze. Diese Frau ist aus Stahl. Keine einzige Träne. Selbst gerade erst fünfzig und todschick, entschuldigen Sie, drucken Sie das lieber nicht, okay? Ich wollte keinen Wortwitz machen.
Die Erben enterbt, die Herren zu Opfern gemacht: das war der Trick. Die ganze schöne Bildung umsonst! Denn Saskia war mit ihren neunzehn Jahren nicht nur Linguistin, Pianistin und Modekennerin; sie war außerdem eine ausgezeichnete Reiterin, eine Bogenschützin, die hoffte, ins Olympiateam für Sydney zu kommen, Langstreckenschwimmerin, eine fabelhafte Tänzerin, eine großartige Köchin, eine fröhliche Wochenendmalerin, Belcanto-Sängerin, Gastgeberin nach dem grandiosen Vorbild ihrer Mutter und, nach der eindeutigen Sinnlichkeit ihres Zeitungslächelns zu urteilen, außerdem in anderen Künsten bewandert, denen sich die Regenbogenpresse durchaus widmete, von denen sie in einem solchen Zusammenhang jedoch nicht ohne weiteres zu sprechen wagte. Die Zeitungen begnügten sich damit, Fotos von Saskias attraktivem Beau zu drucken, dem Polospieler Bradley Marsalis III., über den fleißige Leser wenigstens soviel wußten: daß seine Teamkameraden ihn wegen dem, was er zwischen den Beinen trug, Horse nannten.
Die schöne Wendy Bird war vom Stein aus der Schleuder eines Lost Boy getroffen worden. Bird? Nein, sagen wir Birds: denn was für Sky Schuyler galt, galt ebenso für Bindy Candell und Ren Klein. Alle drei waren wunderschön, alle drei groß, blond und üppig gebaut. Während die finanzielle Zukunft ihrer großen Familien in den Händen ihrer im höchsten Grade selbstsicheren Brüder lag, waren diese jungen Frauen dazu erzogen worden, über die Rollen ihres Clans zu wachen - ihren Stil, ihre Klasse. Ihr Image. Betrachtete man ihre bestürzten männlichen Verwandten jetzt, konnte man sich leicht vorstellen, wie groß ihr Verlust war. Wir Boys können uns um die Geschäfte kümmern, sagten die stumm trauernden Mienen der Familie, doch unsere Girls machen uns zu dem, was wir sind. Wir sind das Boot, und sie sind der Ozean. Wir sind das Fahrzeug, sie sind die Bewegung. Wer wird uns jetzt sagen, wie wir sein sollen? Außerdem herrschte aber auch Angst: Wer wird die nächste sein? Von allen reifen Mädchen, die uns gegeben wurden, um sie wie die goldenen Äpfel der Sonne von den Zweigen zu pflücken - welche wird als nächste vom Wurm des Todes befallen?
Eine lebende Puppe. Diese jungen Frauen waren dazu geboren, Trophäen zu sein, vollkommen ausgestattete Oscar-Barbies, um Eleanor Masters Solankas Worte zu gebrauchen. Es war deutlich zu erkennen, daß die jungen Männer ihrer Klasse auf die drei Todesfälle haargenau so reagierten, als wären begehrte Medaillen, goldene Schalen oder Silberpokale von den Sockeln ihres Clubhauses gestohlen worden. Ein Geheimbund
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