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Wut

Wut

Titel: Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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aufgenommen hatte, und das alles, weil er ein Treffen mit Arafat hatte, ein einziges Treffen, also, dann sind Ehud Barak und Clinton jetzt völlige Antisemiten, stimmt’s?, ich meine, das wird doch eine internationale Judenhasser-Veranstaltung, da in Camp Cavid. Und außerdem sprach auch mein Dad, die Konferenz hatte so einen großspurigen Titel wie Die Vorstellung der Schriftsteller gegen die Vorstellung des Staates , und danach hat irgend jemand, hab ich vergessen, Breytenbach oder Oz, irgend so jemand, gesagt, daß der Staat keine Vorstellungskraft besitze, und Dad sagte, im Gegenteil, er habe nicht nur dies, sondern auch Humor, und er würde gern ein Beispiel dafür anführen, und dann hat er die Geschichte von dem Brief erzählt, der nicht zensiert war, und ich saß da im Publikum und war so stolz, weil alle lachten, und schließlich war doch ich diejenige, die den Brief geöffnet hatte. Zu jeder Sitzung begleitete ich ihn, was meinen Sie wohl? Ich war verrückt nach Schriftstellern, ich war mein Leben lang die Tochter eines Schriftstellers gewesen, und Bücher waren für mich das Allergrößte, und es war so cool, weil ich überall dabeisein durfte, obwohl ich noch so klein war. Es war so großartig, zu sehen, wie mein Dad endlich mit Gleichgesinnten zusammen war und man ihm so großen Respekt erwies, und außerdem waren da alle Namen mit den wirklichen Menschen verbunden, zu denen sie gehörten, Donald Barthelme, Günter Grass, Czeslaw Milosz, Grace Paley, John Updike, alle. Aber zum Schluß hatte mein Vater diesen Ausdruck im Gesicht, der gleiche wie bei Ihnen, und er ließ mich bei Tante Kitty aus Chelsea, nicht meine richtige Tante, sie und Dad hatten ungefähr fünf Minuten was miteinander - Sie hätten ihn sehen sollen, wie er bei Frauen war, er war so ein großer, sexy Kerl mit riesigen Händen und einem dicken Schnauzbart wie Stalin, glaube ich, und er sah den Frauen in die Augen und redete über Tiere in der Brunst, Wölfe, zum Beispiel, und das war’s, sie waren hin. Ich schwöre bei Gott, daß diese Ladies tatsächlich Schlange standen, er war in sein Hotelzimmer hinaufgegangen, und sie stellten sich draußen vor der Tür auf, wirklich in einer Reihe, die tollsten Frauen, die Sie sich vorstellen können, mit weichen Knien vor Geilheit; und es ist ein Glück, daß ich so gerne las, und außerdem konnte ich endlich mal das amerikanische Fernsehen genießen, deswegen ging’s mir gut, im anderen Zimmer, es ging mir gut, obwohl ich immer wieder so gern da rausgegangen wäre und die Frauen, die warteten, bis sie an die Reihe kamen, gefragt hätte, na ja, ob sie nicht was Besseres zu tun hätten, wissen Sie; es ist nur sein Schniedel, verdammt noch mal, machen Sie doch lieber was Besseres. Ja, ich habe viele Menschen schockiert, ich bin wohl schnell erwachsen geworden, weil Dad und ich immer zusammen waren, immer er und ich gegen den Rest der Welt. Also denke ich, daß er Tante Kitty mochte, sie muß wohl die Probe bestanden haben, denn ihr Preis war, daß sie zwei Wochen lang auf mich aufpassen durfte, während Dad mit zwei Professorinnen auf eine Wanderung in die, ich glaube, es waren die Appalachen ging; er wanderte gern in den Bergen, um von den vielen Menschen um ihn herum loszukommen, und wenn er zurückkehrte, sah er immer ganz anders aus, irgendwie klarer, wissen Sie. Ich hab das den Moses-Ausdruck auf seinem Gesicht genannt. Rückkehr vom Berg, Sie wissen schon, mit den Zehn Geboten. Nur waren es in Dads Fall gewöhnlich Gedichte. Jedenfalls, lange Story kurz gemacht, ungefähr fünf Minuten, nachdem er vom Schmusen mit den Profs auf dem Berg zurückkam, wurde ihm ein Posten an der Columbia University angeboten, und wir zogen endgültig nach New York. Was ich wunderbar fand, na klar, aber er war, wie ich schon sagte, ein Naturmensch und auch ein in der Wolle gefärbter Europäer, deswegen war es für ihn schwerer. Immerhin, er war daran gewöhnt, mit dem zurechtzukommen, was da war, daran gewöhnt, mit allem fertig zu werden, was ihm das Leben so in den Weg legte. Okay, er trank wie ein echter Jugoslawe, und er rauchte ungefähr hundert pro Tag und hatte ein krankes Herz, er wußte, daß er nicht alt werden würde, aber er hatte eine Entscheidung für sein Leben getroffen. Sie wissen schon, wie in Der Nigger von der Narcissus.  - Ich muß leben, bis ich sterbe. Und das hat er getan, er hat großartige Arbeit geleistet, er hatte großartigen Sex und rauchte großartige Zigaretten und trank

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