Wut
Familienglücks Zuflucht suchen. Bei anderen Gelegenheiten jedoch waren die Risse deutlicher zu erkennen. Sie fand sein egozentrisches Elend, sein ständiges Schimpfen auf eingebildete Kränkungen langweiliger und stressiger, als sie es sich jemals anmerken ließ, weil sie dazu nicht grausam genug war; während er ihr, in seiner Abwärtsspirale gefangen, vorwarf, ihn und seine Belange zu ignorieren. Im Bett beschwerte sie sich darüber - flüsternd, damit Asmaan nicht aufwachte, der auf einer Matratze neben ihnen auf dem Fußboden schlief -, daß Malik niemals die Initiative ergriff; er gab zurück, daß sie, bis auf die fruchtbare Zeit des Monats, jegliches Interesse am Sex verloren habe. Und in jener Zeit des Monats kam es unweigerlich zum Streit: ja, nein, bitte, ich kann nicht, warum nicht, weil ich nicht will, aber ich brauche es so sehr, na schön, ich brauche es eigentlich gar nicht, aber ich will nicht, daß dieser süße kleine Junge ein Einzelkind wird wie ich, und ich will in meinem Alter nicht noch einmal Vater werden, wenn Asmaan zwanzig Jahre alt ist, werde ich schon über siebzig sein. Dann folgten Tränen und Zorn und, immer öfter, für Solanka eine Nacht im Gästezimmer. Ein guter Rat für alle Ehemänner, dachte er verbittert: Sorge dafür, daß das Gästezimmer so komfortabel wie möglich ist, denn früher oder später, mein Freund, wirst du dort landen!
Eleanor stand an der Treppe und erwartete nervös eine Antwort auf ihre Einladung zu einem Abend des Friedens und der Liebe. Die Zeit verging mit langsamen Pulsschlägen und gelangte an einen Angelpunkt. Wenn er vernünftig wäre und den Wunsch danach hätte, könnte er jetzt ihre Einladung annehmen, und dann würde, jawohl, ein schöner Abend folgen: köstliches Essen, und die Liebe würde, wenn er in seinem Alter nach drei Flaschen Tignanello nicht sofort einschlief, den alten hohen Standard erreichen. Aber es gab jetzt einen Wurm im Paradies, und er bestand den Test nicht. »Du hast vermutlich deinen Eisprung«, sagte er, und sie zuckte vor ihm zurück, als hätte er sie geohrfeigt. »Nein«, log sie, und dann, sich in das Unvermeidliche fügend: »Ach, na ja, stimmt. Aber könnten wir nicht einfach, ach, ich wünschte, du könntest sehen, wie verzweifelt, ach, zum Teufel damit, was soll’s.« Unfähig, ihre Tränen zurückzuhalten, trug sie Asmaan davon. »Wenn ich ihn zu Bett gebracht habe, werde ich auch schlafen gehen, okay?« sagte sie, vor Zorn weinend. »Mach, was du willst. Nur laß das Lamm nicht in dem verdammten Herd liegen. Nimm es raus und wirf’s in den verdammten Mülleimer.«
Während Asmaan in den Armen seiner Mutter nach oben verschwand, hörte Solanka die Angst in seiner müden Kinderstimme. »Daddy ist nicht böse«, sagte Asmaan, sich selbst beruhigend, obwohl er sich wünschte, beruhigt zu werden. »Daddy will mich nicht wegschicken.«
Allein in der Küche, begann Professor Malik Solanka zu trinken. Der Wein war so gut und schwer wie immer, aber er trank ihn nicht zum Vergnügen. Zielbewußt arbeitete er sich durch die Flaschen, und während er trank, kamen die Dämonen durch die verschiedenen Öffnungen seines Körpers herausgekrochen, glitten in seiner Nase herunter, aus seinen Ohren, tropften und rannen durch jede Öffnung, die sie finden konnten. Als die erste Flasche bis auf den letzten Tropfen geleert war, tanzten sie auf seinen Augäpfeln, auf seinen Fingernägeln, hatten sie ihre rauhen, schlabbernden Zungen um seine Kehle gewickelt, stießen sie ihre Speere in seine Genitalien, und alles, was er hören konnte, war ihr scharlachroter Gesang des schrillen, grausigen Hasses. Er hatte das Selbstmitleid jetzt hinter sich gelassen und gelangte in einen schrecklichen, schuldbewußten Zorn, und auf dem Boden der zweiten Flasche, als sein Kopf auf dem Hals wackelte, küßten ihn die Dämonen mit ihren gespaltenen Zungen, hatten sie ihre Schwänze um seinen Penis geschlungen, den sie rieben und drückten, und wenn er ihren widerlichen Reden zuhörte, hatte die unverzeihliche Schuld für das, was aus ihm geworden war, begonnen, sich auf die Frau oben zu legen, auf sie, die ihm am nächsten war, die Verräterin, die sich geweigert hatte, seine Feindin zu vernichten, seine Nemesis, die Puppe, sie, die das Gift des Braingirls in das Gehirn seines Kindes geträufelt und den Sohn gegen den Vater aufgestachelt hatte, sie, die den Frieden seines häuslichen Lebens gestört hatte, indem sie das ungezeugte Kind, von dem sie
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