Wut
damit ich Zusehen kann, wie die Männer an den anderen Tischen angegiftet werden. Kannst du dir vorstellen, Malik, mein bedauernswerter, zölibatärer Freund, wie das mit ihr war? Ich meine, jeden Abend ?«
»Du hast schon immer eine häßliche Ausdrucksweise gehabt«, sagte Solanka, der sich wand. Er wechselte das Thema. »Was ist mit Sara? Wieso ist sie von den Toten auferstanden? Auf welchem Friedhof hast du sie gefunden?« »Ach, wie üblich«, erwiderte Rhinehart pikiert. »Southampton.« Seine Ex-Frau, erfuhr Solanka, hatte mit fünfzig Jahren einen der reichsten Männer von Amerika geheiratet, den Viehfutter-Tycoon Lester Schofield III., inzwischen zweiundneunzig, und vor kurzem, an ihrem siebenundfünfzigsten Geburtstag, wegen Schofields Ehebruch mit Ondine, einem brasilianischen Ex-Model von dreiundzwanzig, die Scheidung eingereicht. »Schofield hat seine Milliarde gemacht, weil er erkannt hat, daß das, was von den Trauben übrig ist, nachdem Traubensaft gemacht werde, ein großartiges Dinner für die Kühe ergeben würde«, sagte Rhinehart und ging zu seiner übertriebensten Onkel-Tom-Sprache über. »Und jetzt hat deine Alte die gleiche Idee gehabt. Sie hat ihn unter die Traubenpresse gelegt, stell’ ich mir vor. Und war letztlich die bestgefütterte Kuh selbst.« Überall an der Ostküste stiegen die Jungen offenbar auf den Schoß der Alten, offerierten den Sterbenden den Schierlingsbecher, der sie selbst waren, und richteten weit und breit Verheerungen an. An diesen jungen Klippen scheiterten tagtäglich Ehen und Vermögen. »Miss Sara hat ein Interview gegeben«, erzählte Rhinehart Solanka allzu munter, »in dem sie ihre Absicht ankündigte, ihren Ehemann in drei gleiche Teile zu zerlegen, jedes auf einer seiner großen Besitzungen zu begraben und dann bei jedem ein Drittel des Jahres zu verbringen, um ihren Dank für seine Liebe zu zeigen. Dein Glück, daß du die Alte losgeworden bist, solange du arm warst, mein Junge. Die Braut von Wildenstein? Miss Patricia Duff? Nicht annähernd so gut sind die, bei der Scheidungs-Olympiade. Die Goldmedaille gebührt dieser Dame, ganz zweifellos. Die hat ihren Shakespeare gelesen, Professor.« Es gab Gerüchte, nach denen das Ganze ein zynisches Komplott gewesen sei - daß Sara Lear Schofield, kurz gesagt, die Brasilianerin dazu angestiftet hatte aber Beweise für eine derartige Verschwörung wurden nie gefunden.
Was war los mit Rhinehart? Wenn er zutiefst zufrieden war, wie er behauptete, sowohl mit seiner eigenen Scheidung als auch mit Vaffaire Neela, warum wechselte er in einem so halsbrecherischen Tempo zwischen sexueller Plumpheit - die im Grunde gar nicht sein Stil war - und diesen dämlichen Sara-Lear-Informationen hin und her? »Jack«, fragte Solanka seinen Freund, »geht es dir wirklich gut? Wenn nämlich ...« »Mir geht’s gut«, fiel Jack ihm mit seiner angestrengtesten, brüchigen Stimme ins Wort. »He, Malik? Hier spricht dein Bruder Jack, mein Freund. Geboren und aufgewachsen in einem Dornbusch. Bleib cool.«
Eine Stunde später rief Neela Mahendra an. »Erinnern Sie sich an mich? Wir haben uns bei diesem Fußballspiel kennengelernt. Wo Holland die Serben geschlagen hat.« »Beim Fußball heißt es immer noch Jugoslawien«, erklärte Solanka. »Wegen Montenegro. Aber ja, natürlich erinnere ich mich an Sie. Sie kann man nicht so leicht vergessen.« Sie reagierte nicht auf sein Kompliment; derartige Schmeicheleien waren für sie das Minimum: der allergeringste Tribut an sie. »Können wir uns treffen? Es geht um Jack. Ich muß unbedingt mit jemandem sprechen. Es ist wichtig.« Sie meinte, sofort, war es gewöhnt, daß die Männer alles stehen - und liegenließen, wenn sie winkte. »Ich bin ganz in Ihrer Nähe im Park«, sagte sie. »Können wir uns in, sagen wir, einer halben Stunde vor dem Metropolitan Museum treffen?« Solanka, ohnehin um das Wohlergehen seines Freundes besorgt, nach diesem Anruf noch besorgter und - jawohl, na schön! - unfähig, dem Ruf der hinreißenden Neela zu widerstehen, erhob sich, obwohl dieser Ruf ausgerechnet in den Stunden gekommen war, die für ihn die kostbarsten des Tages geworden waren: Milas Zeit. Er zog einen leichten Mantel an - es war trocken, aber bewölkt und für die Jahreszeit zu kühl - und öffnete die Wohnungstür. Draußen stand Mila mit seinem Reserveschlüssel in der Hand. »Oh«, sagte sie, als sie den Mantel sah. »Na ja, okay.« In diesem ersten Augenblick, als sie völlig überrascht war,
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