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Wut

Wut

Titel: Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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bevor sie Zeit hatte, sich zusammenzunehmen, sah er ihr Gesicht sozusagen nackt. Was er da entdeckte, war zweifellos enttäuschter Hunger. Der füchsische Hunger eines Tieres, dem die - er versuchte, nicht an das Wort zu denken, aber es erzwang sich den Weg zu ihm - Beute verweigert wird.
    »Ich bin gleich wieder da«, sagte er lahm, aber sie hatte bereits die Beherrschung zurückgewonnen und zuckte die Achseln. »Kein Problem.« Gemeinsam gingen sie zur Haustür hinaus, wo er sich rasch von ihr entfernte und zur Columbus Avenue hinüberging, ohne sich umzusehen, weil er wußte, daß sie mit Eddie auf der Treppe des Nachbarhauses sitzen und zornig ihre durstige Zunge in dessen verblüffte, hocherfreute Kehle stecken würde. Überall prangten Poster für The Cell , den neuen Jennifer-Lopez-Film. Darin wurde Lopez miniaturisiert und ins Gehirn eines Serienmörders injiziert. Es klang wie ein Remake von Phantastische Reise mit Raquel Welch, aber na und? Niemand erinnerte sich an das Original. Alles ist eine Kopie, ein Echo der Vergangenheit, dachte Professor Solanka. Ein Song für Jennifer: We’re living in a retro world and I am a retrograde girl.
     

11
    »Also, in der Zukunft, da hört doch keiner mehr das alte Dampfradio, klar. Oder, wissen Sie, was ich denke? Vielleicht hört das Radio auf uns. Dann sind wir so was wie das Entertainment, die Maschinen sind das Publikum, und uns gehört der Sender, und wir alle arbeiten für die.«
    - »Nein, hör zu. Keine Ahnung, was für’n Sci-Fi-Mist der alte Speedy Gonzalez da verzapft hat. Hört sich für mich an, als hätt er sich The Matrix zu oft ausgeliehen. Bei mir, da ist die Zukunft einfach noch nicht angekommen. Alles sieht wie immer aus. Ich mein, is’ doch immer wieder derselbe Scheiß. Alle in denselben Wohnungen, alle kriegen dieselbe Ausbildung, machen in der Freizeit dasselbe, suchen sich dieselben Jobs. Kannste nachprüfen. Wir kriegen dieselben Rechnungen, gehn mit denselben Mädchen aus, sitzen in denselben Gefängnissen; werden schlecht bezahlt, werden schlecht gebumst und schlechtgemacht, stimmt’s? Das ist cor-recto, senor . Und mein Radio? Das hat ’n Abschaltknopf, Daddy-o, und ich stell das Dingen ab, wann immer ich will.« - »Mann, der kriegt’s nicht mit. Der kriegt’s so wenig mit, daß er’s nicht kommen sieht, bis es ihm mitten ins Gesicht springt. Du solltest aufpassen, hermano . Die haben jetzt Maschinen, die laufen mit Essen als Treibstoff, hörst du? Kein Sprit mehr. Die schlucken menschliches Essen wie du un’ ich. Pizza, Chili Dogs, Thunfischpaste, und so. Bald wird Mr. Maschine sich ’n Tisch im Restaurant nehmen. Geben Sie mir den besten Tisch, ungefähr so. Und jetzt sag du mir, wo ist der Unterschied? Wenn’s ißt, ist es lebendig, sage ich. Die Zukunft ist hier, Mann, in diesem Moment, du solltest lieber auf deinen Arsch aufpassen. Jetzt wird Mr. Lebendmaschine bald kommen und sich die Arbeit holen, von der du eben geredet hast, und deine Tussi vielleicht obendrein.« - »He, he, mein paranoider Latino-Freund, Ricky Ricardo, ich hab den Namen nicht verstanden, aber mach langsam, Desi, okay? Hier ist nicht das kommunistische Kuba, von dem du im Gummiboot geflohen bist und vor dem du im Land der Freien Zuflucht gefunden hast ...« »Nun werd nicht gleich beleidigend, bitte. Ich sage bitte, weil ich zur Höflichkeit erzogen wurde, no ? Der Bruder hier, wie heißt er noch, Senor Cleef Hoxtaboo’ oder Mr. Taugenichts, vielleicht hat seine Mutter ihn nicht richtig erzogen, aber wir sind hier live auf Sendung, wir sind in der ganzen Metropolitan Region zu hören, also keine Schimpfwörter, bitte.« - »Darf ich da mal unterbrechen? Entschuldigen Sie. Ich höre mir das alles an, und ich denke, sie haben jetzt hier sogar computergesteuerte Fernsehansager und tote Schauspieler, die Autos verkaufen, Steve McQueen persönlich in dem Wagen, also bin ich mehr für unseren kubanischen Freund, die Technik macht mir angst, eh? Und also, in der Zukunft, wird da noch irgend jemand über unsere Bedürfnisse auch nur nachdenken? Ich bin Schauspielerin. Ich arbeite meistens in der Werbung, und da ist dieser große SAG-Streik, und seit Monaten verdien’ ich keinen müden Dollar, aber deshalb wird kein Spot weniger gesendet, weil sie Lara Croft kriegen können, Jar Jar Ginks, sie kriegen Gable oder Bogey oder Marilyn oder Max Headroom oder HAL von 2001 .« - »Ich muß Sie jetzt unterbrechen, Ma’am, weil wir keine Zeit mehr haben, und dies ist

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