Wyler, Leana
ganz nah an ihrem spüren.
Doch sie hatte Angst vor der Wehmut in seinem Blick, die es ihr schwer machen würden zu gehen. Oder ihm. Doch es gab keine Zukunft für sie beide. Wozu sich quälen? Ändern konnte niemand etwas daran. Selbst wenn er sich im Nachglühen dieser besonderen Nacht einem Impuls hingeben würde – was nun wirklich nicht wahrscheinlich war – und Hof, Macht, Marian vergessen würde, um stattdessen mit ihr, der einfachen Hebamme, zusammen zu sein – sie könnte ihn niemals glücklich machen. Am Anfang mochten die nächtlichen Spiele noch reichen, um ihn abzulenken, aber irgendwann würde ihm klar werden, was er ihr zuliebe alles aufgegeben hatte, und er würde sie dafür hassen. Das würde sie keinesfalls ertragen können. Dann lieber die Sehnsucht aushalten, die sich bereits jetzt wie ein spitzer Dolch in ihr Herz bohrte.
Und doch war es besser, wenn sie nun ging.
So behielt er sie zumindest in Erinnerung, als eine Frau, die ihn geliebt hatte.
Sie hatte das niemals sagen wollen, nicht einmal empfinden hatte sie es wollen! Aber letztendlich war es völlig natürlich gewesen, es auszusprechen. Warum auch nicht. Es war nicht schwer zu erraten, dass auch er Gefühle für sie hatte.
Sie seufzte leise. Dann beugte sie sich über ihn, strich ihm mit einer zärtlichen Bewegung noch ein Mal durch sein Haar, fuhr mit der Rückseite ihrer Hand sanft über seine Schulter. Gott, sie würde ihn vermissen! So sehr!
Ihr Herz krampfte sich jetzt schon schmerzhaft zusammen, obwohl er noch vor ihr lag. Wie würde es erst sein, wenn sie nicht mehr einfach nur die Hand ausstrecken konnte, um ihn zu berühren? Wenn kein Pergament mehr zu Hause auf sie wartete, um ihren ganzen Leib in einen prickelnden Ausnahmezustand zu versetzen? Nie mehr?
Sie wandte sich ab, weil sie heiße Tränen aufsteigen fühlte. Nicht weinen jetzt. Er war nicht für sie bestimmt, das hatte sie von Anfang an gewusst. Sie schluckte hart und strich mit bebenden Händen das Kleid glatt.
Aber ein paar Sätze zum Abschied, die würde sie für ihn zurücklassen. Wünsche für sein weiteres Leben. Die Vergewisserung, dass sie ihn nie vergessen würde. Und darunter würde sie schreiben: „In Liebe, Susannah”.
Sie stellte sich vor, dass er den Brief in seine Brusttasche steckte und immer bei sich trug. Manchmal, in einer stillen Stunde, vorsichtig herauszog, auffaltete und mit seinen schlanken Fingern sehnsuchtsvoll über die Buchstaben ihres Namens fuhr…
Schon wieder versuchten die Tränen, sich einen Weg zu bahnen.
Ein Geräusch riss die aus diesen völlig übertriebenen Gedanken, für die sie sich augenblicklich schämte. Herrgott, sie musste sich zusammenreißen! Er war kein verliebter Junge von vierzehn Jahren, sondern ein Mann! Und sie sollte sich nun endlich auf den Weg machen, nachdem sie die Nachricht verfasst hatte.
Susannah sah sich suchend im Zimmer um. Weit und breit waren nirgends Feder und Tinte zu sehen. Vielleicht in den Schränken, aber sie wagte es nicht, ohne Erlaubnis in diese hineinzusehen. Sie öffnete die Tür seiner Gemächer und sah weiter vorne im Gang einen Diener entlangeilen, den ihr schon mehrmals hier im Castle begegnet war. Sie winkte ihn heran.
„Könnt Ihr mir etwas zu schreiben besorgen?”, fragte sie den ältlichen Mann.
„Natürlich”, sagte er und deutete eine Verbeugung an. „Ich bin sofort wieder bei Euch.”
Bis er zurückkam, trat sie ans Fenster, um den hämmernden Geräuschen aus dem Burghof auf den Grund zu gehen. Was sie dann sah, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.
Vollkommen verstört fuhr sie herum, als der Diener in diesem Moment mit den gewünschten Schreibsachen den Raum betrat.
„Das ist ein Galgen!”, stieß sie hervor. „Wieso wird hier ein Galgen aufgebaut?” Sie konnte nicht glauben, was dort unten im Hof vor sich ging.
„Na, für Robin Hood”, erklärte der Diener ganz selbstverständlich. „Heute ist seine Hinrichtung.”
„Hinrichtung?” Sie schrie das Wort voll Entsetzen hinaus. Er hatte doch zugesagt, ihn am Leben zu lassen und vor ein Gericht zu stellen!
„Was ist denn los?”, fragte Eadrics noch schlaftrunkene Stimme aus dem Nebenzimmer.
Sie stürzte hinüber, völlig außer sich vor Wut.
„Wie kannst du das tun, du verdammter Lügner!”, brüllte sie ihn an.
Sie hatte ihm geglaubt! Ihn für einen Menschen mit gutem Herzen gehalten, dem das Schicksal böse mitgespielt hatte. Sie hatte Mitleid für ihn empfunden, ihn getröstet in
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