Wyler, Leana
dass der Schmuck und das Kleid ursprünglich als Geschenke für Marian gedacht gewesen waren? Und das hatte sie derart aus der Haut fahren lassen?
Dabei hätte er ihr das doch erklären können! Oder neue Stücke für sie anfertigen lassen, das wäre ein Leichtes gewesen, bereitwillig hätte er so etwas für sie getan, das Beste und Wertvollste aus dem ganzen Reich hätte er ihr zu Füßen gelegt.
Er war aufgewacht, irgendwann vor einigen Stunden, die ihm jetzt wie ein kindischer Traum erschienen oder wie eins von Cecelyas völlig überzogenen Märchen.
Das fahle Licht des Mondes hatte Susannahs Züge unwirklich erscheinen lassen und doch hatte es sich so richtig angefühlt, neben ihr zu liegen. Völlig natürlich. Zwei Körper, die sich ineinanderfügten, und die Seelen mit dazu.
Eine Zeit lang hatte er sie nur betrachtet, ihrem ruhigem Atem gelauscht, der ihren Brustkorb bewegte. Ihren Mund, der sogar im Schlaf milde zu lächeln schien. Berauscht war er noch gewesen, von ihrem Leib und von dem gehauchten Satz, dass sie ihn liebte. So sehr trunken von dieser Ungeheuerlichkeit, dass er tatsächlich darüber nachgedacht hatte, wie es wohl wäre, mit ihr zusammenzuleben. Ja, er hatte wahrlich überlegt, den Hof, Marian und sein gesamtes mächtiges Leben hinter sich zu lassen, um gemeinsam mit ihr irgendwohin zu gehen.
Mit einer Frau, die ihn anlog, die niemals auch nur irgendetwas für ihn empfunden hatte! Er war fürwahr ein Narr, der größte von ganz England.
Und nun, was war ihm geblieben?
Ein Aufstieg an den Hof, wo er einer von vielen Emporkömmlingen war und mit den anderen Speichelleckern um Sir Johns Gunst wetteifern musste. Dazu eine Vermählung mit der spröden Marian, die ihm bei dieser arrangierten Ehe mit Sicherheit nur schlecht verhüllte Missachtung entgegenbringen würde. Und eine verrückte Mutter, über deren weiteren Verbleib er sich noch nicht den geringsten Gedanken gemacht hatte.
Eadric zog seinen Dolch, den er immer verdeckt in seinem Wams trug, aus der Scheide und fuhr mit dem Zeigefinger an der verlockend scharfen Klinge entlang.
Vielleicht wäre das der bessere Weg. Ein klarer Schnitt an der Kehle und er müsste sich nie mehr mit all diesen Erbärmlichkeiten herumschlagen. Probeweise setzte er das Messer am Hals an, das Metall drückte angenehm kühl gegen seine Haut.
Was Susannah wohl denken würde, wenn sie davon erfuhr?
Verdammt, sie war immer noch in seinem Kopf!
Obwohl sie im Kerker schmorte, ihn angelogen, betrogen und gedemütigt hatte, spukte sie beständig in seinen Gedanken herum, dieses verfluchte Weib!
Und wenn diese zahlreichen Erinnerungen auf ihn einstürzten, diese vermaledeiten Bilder ihres Schlüsselbeins, dessen Haut so zart war, ihrer schmalen Hände, die ihm solch unnachahmliche Freuden bereitet hatten, der winzigen Sommersprossen auf ihren Schultern – dann begannen trotz aller Enttäuschung seine Lenden zu zucken.
Doch er rief sich zur Vernunft.
„Nichts war echt” , das half, seine Erregung zu beherrschen und den Schmerz wiederzufinden. Schmerz war gut, der war ein alter Bekannter, schon sein Leben lang. Er sollte ihn eigentlich freudig begrüßen und sich wieder einmal den Brustkorb auseinander reißen lassen, dieses Mal schlimmer als je zuvor. Tiefer als damals der Tod von Cecelya oder die Sache mit Billy, seinem Hund. Brutaler als jede Demütigung durch seine Mutter.
Susannah hatte ein neues Kapitel in Sachen Schmerz aufgeschlagen und er wusste nicht, ob er dem gewachsen war. Zu lieblich war die Verlockung gewesen, dieses Gefühl der Geborgenheit, wenn er in ihren Armen ruhte. Die Wärme ihrer Zuneigung, als er diese noch für echt gehalten hatte. Fort nun. Alles hinweggefegt.
Und sogar die Erinnerungen hatte sie ihm genommen.
Hätte sie ihm nicht die zumindest lassen können? Diese Illusion, dass jemand etwas für ihn empfinden könnte, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit, und er diese Nächte wie ein Schatzkästchen hätte hüten dürfen für sein restliches Leben? Hin und wieder eine Schublade aufziehen und sich dankbar an eine mit ihr verbrachte Stunde erinnern? Aber nein, auch dies hatte sie zunichte gemacht.
„Nichts war echt.” Drei Worte hatten genügt, um all dies zu pulverisieren. Lächerlich zu machen. In den Dreck zu ziehen.
Ein faustdicker Knoten stieg in Eadrics Hals hoch. Er versuchte zu schlucken, doch es half nicht. Noch einmal drückte er das Messer gegen seine Haut, aber er wusste genau wie seine Mutter, dass er im
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