Wyoming 2 - Wildes Herz
bedroht worden war und er sich immer noch nicht rühren konnte; nacktes Grauen, das den Schweiß und die Entkräftung hervorgerufen hatte, als er; glaubte, ihr würde etwas zustoßen. Erst als er gesehen hatte, wie die Peitsche wirklich gegen sie erhoben wurde, war die Wut in seinem Schädel explodiert und hatte ihm ne Beweglichkeit zurückgegeben.
Er sah zu, wie Pratts Leiche aus dem Saloon gezerrt wurde. Ein paar Äußerungen wurden laut, aber niemand richtete das Wort an ihn. Die meisten Gäste wandten sich jeweils wieder dem zu, was sie gerade getan hatten, als die Gewalttätigkeiten ausgebrochen waren. So zu tun, als sei nichts geschehen war eine typische Reaktion für Leute, die mehr oder weniger tagtäglich mit Gewalttätigkeit konfrontiert wurden.
Colt empfand überhaupt nichts, kein Bedauern, keine Befriedigung; er brachte keinerlei Gefühle für den Mann auf, den er gerade getötet hatte. Was ihn beunruhigte, war der Ausdruck äußerster Verachtung, mit dem ihn die Herzogin bedacht hatte, als sie gegangen war. Er brauchte sich nicht erst lange zu fragen, was ihm diesen Blick eingetragen hatte. Und was sollte er ihr jetzt erzählen? Daß er Angst gehabt hatte, ohne sich dessen wirklich bewußt zu sein? Daß er sie gern aus der Sache herausgehalten hätte und es versucht hatte, sich aber einfach nicht rühren konnte? Sich nicht rühren konnte? Das würde sie ihm bestimmt aufs Wort glauben, klar.
Er machte sich auf den Rückweg zum Bahnhof und zu diesem schicken Eisenbahnwaggon, den sie so mühelos organisiert hatte. Die Herzogin war da, aber sie hatte sich im Schlafabteil eingeschlossen. Colt war im ersten Moment unschlüssig, ob er anklopfen sollte, doch dann entschied er sich dagegen. Vielleicht war es so das Beste. Es würde ihn zwar ein paar Tage mit ihr kosten, aber was machte das schon aus, wenn er sie ohnehin wieder hergeben mußte?
Er packte seine Sachen zusammen und ging auf die Tür zu. Er würde sich eine Fahrkarte für den normalen Personenwagen kaufen und es dem Schaffner überlassen, der Herzogin mitzuteilen, wo er sich befand. Es bestand kein Grund für
sie ihn wiederzusehen, ehe sie in Cheyenne ankämen. Aber auf dem Weg zur Tür fiel sein Blick auf einen der Spiegel, und sein Rücken fiel ihm wieder ein. Er ließ seine Sachen fallen
und riß sich das Hemd herunter, um sich schnell selbst anzu-sehen was passiert war. Colt kam zu dem Schluß, daß Pratt im Lauf der Jahre nachgelassen haben mußte. Er konnte keine einzige Strieme entdecken.
»Um Gottes willen! «
Er drehte sich eilig um und griff nach seiner Waffe. »Was ist? « Doch er konnte es ihr selbst ansehen. Mitleid verkraftete er schon in seinen besten Momenten nicht, und schon gar nicht von ihr.
Jocelyn ließ ihre Waffe fallen, um sich die Hand vor den Mund zu schlagen. Sie würde sich übergeben müssen. Sie hatte in der vergangenen Stunde schon genug Brutalität mitangesehen, aber das hier, das Resultat von Grausamkeiten, die ihm angetan worden waren - ihm! Sie lief auf die Toilette zu.
Colt warf sein Hemd mit einem heftigen Fluch auf den Boden, lief hinter ihr her und riß sie herum, ehe sie die Tür erreicht hatte. »Wage es nicht! Das ist nichts weiter, hast du gehört? Nichts! Wenn du dich unbedingt übergeben willst, dann hättest du es tun sollen, als die Eingeweide dieses Viehtreibers durch die Gegend gespritzt sind, aber nicht jetzt! «
Sie schluckte die Galle, die ihr in die Kehle aufgestiegen war, und schüttelte den Kopf. Die Tränen traten schon in ihre Augen. Sie wußte nicht, warum er so wütend war. Sie kam nicht gegen die Gefühle an, die sie innerlich zerrissen.
Als er die Tränen sah, fauchte er: »Laß das! «, aber sein Groll wurde von ihrem Schluchzen übertönt, als sie die Arme um seinen Hals schlang. Er versuchte, sich aus ihrer Umklammerung zu lösen, doch das konnte er nicht, ohne ihr weh zu tun. Und sie ließ ihn nicht los, sondern umschlang ihn so fest, daß er kaum noch Luft bekam.
»Ach, Mist«, sagte er nach einer Weile und trug sie zum nächsten Stuhl. Dann setzte er sich, um sie auf den Schoß zu nehmen und sie in seinen Armen zu wiegen. »Das kannst du mir nicht antun, Frau. Und warum zum Teufel weinst du überhaupt? Ich habe dir doch gesagt, daß das nichts weiter ist. «
»Das nennst du... nichts weiter? « schluchzte sie an seiner Schulter.
»Dir hat es nichts zu bedeuten. Es ist bereits lange her, daß das passiert ist. Glaubst du etwa, es täte noch weh, oder so was? lch
Weitere Kostenlose Bücher