Wyoming 2 - Wildes Herz
nahm an, sie faßte dieses gottlos frühe Aufbrechen als einen Beweis dafür auf, daß Colt sich immer noch an ihr rächen wollte, weil sie ihn in eine Falle gelockt hatte und er jetzt für sie arbeiten mußte.
»Wenn er herkommt und anklopft, ist das wirklich ein Jammer«, murrte Jocelyn. »Ich breche nämlich nicht auf, solange ich nicht soweit bin. «
»Was soll denn das heißen? Bereiten wir uns gerade auf unsere erste Auseinandersetzung mit dem Kerl vor? Jetzt schon? Darf ich zuhören? «
»Vana! «
»Schon gut«, räumte die Gräfin ein, als sie näher kam und sich auf das Fußende von Jocelyns Fellen setzte. »Ich nehme an, ich habe gesagt, was ich zu sagen hatte. Aber warum bist du heute morgen so reizbar? «
Jocelyn seufzte. »Ich habe nicht gut geschlafen. «
»Willst du darüber reden? «
»Nein, nicht unbedingt«, sagte Jocelyn, als sie sich umdrehte, und dann zuckte sie zusammen, als sie Vanessa hörte, die tief Luft holte, als sie ihr erstmals voll ins Gesicht sehen konnte.
»Gütiger Himmel, es ist also schon passiert! Wann? Warum hast du mir nichts davon gesagt? Und du bist immer noch heil und ganz, Gott sei Dank. Na ja, wenigstens können wir fortan auf die Dienste dieses Grobians verzichten. «
»Es ist nichts passiert. «
»Blödsinn«, schnaubte Vanessa. »Ich weiß doch, wie ein Mund aussieht, der heftig geküßt worden ist. «
»Das ist aber auch schon alles, was passiert ist, und das hat er nur getan, damit ich ihn entlasse. «
»Hast du ihn entlassen? Nein, natürlich nicht, denn sonst wäre er ja nicht mehr da. Aber... hast du wenigstens Fortschritte gemacht? «
»Fortschritte? « Jocelyn war zum Lachen zumute. »Vana, er hat mich nicht geküßt, weil er mich küssen wollte. Er hat versucht... «
»Ja, das habe ich gehört. Damit du ihn entläßt. Aber war es das... was du erwartet hast? «
»Erwartet? Ja. Gewollt? Nein. Er ist so brutal wie möglich vorgegangen, und ich hoffe, daß seine verdammten Lippen ihm heute morgen genauso wehtun! «
Vanessa blinzelte, als sie diese hitzige Antwort hörte. »Nun, ich nehme an, wir können guten Gewissens behaupten, daß keine Fortschritte gemacht worden sind«, räumte sie ein. »Es sei denn, du glaubst, daß er die Selbstbeherrschung verloren hat und deshalb so wüst war. «
Die Selbstbeherrschung? Seine Stimme war nicht gerade allzu fest gewesen, als er sie gefragt hatte, ob sie jetzt bereit sei, ihn zu feuern. Und wenn sie es sich jetzt genauer überlegte, war auch sein Atem stoßweise gegangen. Und seine Finger hatten sich nach dem Kuß wirklich fester in ihr Haar gekrallt, und nicht vorher. War es möglich, daß eine gewisse Leidenschaft in diesen Kuß eingeflossen war, obwohl er es nicht so geplant hatte? O Gott, wie gern sie das geglaubt hätte, aber sie war einfach zu unerfahren, um sicher sein zu können.
»Ich weiß es nicht, Vana, aber eigentlich spielt es gar keine Rolle. Schließlich habe ich ihm ja doch wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht, und er wird mich wohl eher verflucht und zum Teufel gewünscht haben, als er ins Bett gegangen ist, statt vor Verlangen nach mir zu schmachten. Und wenn ich es mir jetzt genauer überlege«, fügte sie hinzu und schlug ihre Decke zurück, um aufzustehen, »wäre es das Klügste, was ich tun kann, ihm ein paar Tage lang nicht zu nahe zu kommen. Ich hätte gestern abend nicht auf ihn zugehen dürfen, denn ich wußte ja selbst, daß er noch keine Gelegenheit hatte, seine Wut abzukühlen. Diesen Fehler mache ich lieber nicht noch einmal. «
Kapitel 15
»Pete kommt geritten. «
»Das war aber auch an der Zeit«, murrte Dewane.
»Hat er einen Arzt mitgebracht? « fragte Clay von seinem Strohsack in der Ecke.
»Hör auf zu jammern«, fauchte Dewane den Verwundeten an. »Hab' ich dir die verdammte Kugel rausgeholt, oder nicht? «
»Pete ist allein, Clay«, sagte Clydell, der in der offenen Tür stand und von dort aus den nahenden Reiter gesehen hatte. »Ein Arzt könnte im Moment ohnehin nicht allzuviel tun, und dann müßten wir ihn auch noch umbringen, damit er die Schnauze hält. Willst du noch mehr Whiskey? «
Elliot sah schweigend zu, als eine Flasche mit dem unsauberen Feuerwasser, das in dieser Gegend als Whiskey durchging, an den Mann weitergereicht wurde, der Clay hieß. Der Kerl lag im Sterben und merkte es einfach nicht. Er hatte zuviel Blut verloren, ehe er zu ihnen zurückgekommen war. Statt ihn durch ein Entfernen der Kugel noch mehr leiden zu lassen, hätte
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