Wyoming 2 - Wildes Herz
seit dem Abend nicht mehr, an dem sie absichtlich ihre Klagen vorgebracht hatte, um die Dickköpfigkeit ihres Reiseführers hervorzuheben. Um die Wahrheit zu sagen, hätte sie es gar nicht missen wollen, diesen Landstrich zu sehen, denn er mochte zwar bei Tag noch so öde und monoton sein, ganz zu schweigen von dem ewigen Staub, aber zweimal täglich, bei Sonnenaufgang und bei Sonnenuntergang, explodierten am Himmel die prächtigsten Farben. Manchmal schien der Himmel von Flammen verschlungen zu werden, so grandios leuchteten die Rot- und Gelbtöne. Und dann ging der Mond in einer derart erhabenen Pracht auf, daß man das Gefühl hatte, man könne fast die Hände ausstrecken und ihn berühren. Wenn eine derart gewaltige strahlende Kugel über dem Horizont hing, wurde der Himmel nicht wirklich nachtschwarz, und die Lagerfeuer wurden nur angezündet, damit sie sich daran wärmen und ihr Essen darauf kochen konnten.
Jocelyn war immer draußen, um sich diese spektakulären Schauspiele am Himmel anzusehen, wenn der Tag zuende ging, aber gleichzeitig sah sie sich verstohlen im Lager um und hoffte, Colt Thunder möge auftauchen. Dazu kam es nie. Er machte sich immer noch außergewöhnlich rar und redete nur mit seinem Bruder, dem er Anweisungen für die Route des nächsten Tages gab.
Es ärgerte Vanessa grenzenlos, täglich wieder Jocelyns Enttäuschung zu sehen, wenn der Abend hereinbrach und sie ihren Reiseführer noch nicht einmal aus der Ferne gesehen hatte. Aber ernstlich beunruhigt hatte sie Jocelyns Schilderung von dem Zusammenstoß mit den Apachen, denn ihr war nicht entgangen, welche unterschwelligen Empfindungen Jocelyn erlebt hatte, als sie den Kampf beobachtet hatte und einen Moment lang geglaubt hatte, Colt würde sterben. Das Mädchen hatte erst vor einem Dilemma gestanden, dann hatte Colt sie daraus befreit. Ihr hatte aber vor der möglichen Lösung des Problems gegraut. Dann hatte sie der Gedanke, er könne sterben, gepeinigt, und schließlich hatte sie eine übermächtige Erleichterung empfunden, weil er es überlebt hatte. Und geendet hatte das Ganze mit einer großen Wut auf diesen Mann, die leider nicht lange anhielt.
Ihre Sorge um diesen amerikanischen Halbwilden war es, was Vanessa beunruhigte. Aus solchen Gefühlen heraus entwickelte sich zu leicht Liebe, und wenn Jocelyn das auch noch nicht erkannt hatte, dann war sich doch Vanessa darüber im klaren. So etwas durfte man sich gar nicht vorstellen. Aber noch war es nicht passiert, oder zumindest betete Vanessa, es möge noch nicht passiert sein. Und da Jocelyn immer noch wild entschlossen war, den Kerl besitzen zu wollen, bestand die einzige Möglichkeit, Liebe zu verhindern, darin, daß sie sich so schnell wie möglich entjungfern ließe und Colt Thunder fortgeschickt würde.
Aber um das zu erreichen, mußte ein sehr großes Hindernis überwunden werden, abgesehen davon, daß Thunder so gut wie nie anwesend war. Er war schlicht gesagt der einzige Reiseführer, den sie hatten, und solange sie weit ab von jeder Zivilisation waren und ihn nicht ersetzen konnten, waren sie auf ihn angewiesen.
Die rauhe Gegend, durch die sie so flott gezogen waren, hatte jedoch den Fahrzeugen und den Tieren zugesetzt, und sie brauchten dringend die Dienste eines Hufschmieds. Es war so viel zu tun, daß es sie wenigstens ein paar Tage aufhalten sollte. Ihr Reiseführer konnte sie nicht länger einen Bogen um die Städte herum machen lassen, falls in all dieser Zeit überhaupt irgendwelche Städte an der Strecke gelegen hatten.
»Eins muß ich ihm lassen«, bemerkte Vanessa, als sie am späten Vormittag des nächsten Tages in Silver City einfuhre n , »wenigstens hat er sich für die Reparaturen keine Stadt ausgesucht, in der es nur eine Straße und ein einziges Hotel mit vier Zimmern gibt... wenn ich auch sagen muß, daß er uns nur äußerst mürrisch hergebracht hat. «
Jocelyn wandte sich nicht von dem Fenster ab, durch das sie sich die neue Stadt interessiert ansah. »Du weißt, daß er Städte zu recht meidet, Vana. «
»Vermutlich«, räumte die Gräfin ein, aber sie grämte sich immer noch darüber, daß sie vor ein paar Tagen die Grenze nach New Mexico überschritten hatten, ohne es zu wissen. »Es wäre nett gewesen, wenn er sich dazu herabgelassen hätte, uns wenigstens mitzuteilen, wie gut wir vorankommen und daß wir uns auf einem anderen Territorium befinden. Glaubst du, er wird uns Bescheid sagen, wenn wir Wyoming erreicht haben? «
Jocelyn drehte
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