Wyrm. Secret Evolution
Talisman umklammert hielt, blickte kurz auf. »Ich hatte gerade eine kurze Verbindung zu Facebook. Es wurde nichts von neuen Einstürzen gemeldet. Allerdings â¦Â«
»Allerdings?«, fiel ihr Jana ängstlich ins Wort.
»Allerdings mehren sich die Gerüchte, dass gerade eine groà angelegte Rettungsaktion läuft â¦Â« Sie brach ab und hob ihr Handy ein Stück höher. »Verdammt. Die Verbindung ist wieder abgerissen.«
»Das dürfte jetzt häufiger passieren«, meinte Jana.
»Und wenn wir vernünftig wären, würden wir sofort umkehren, ich weië, murmelte Maya. Sie schüttelte ihr Handy, als könne sie so die Verbindung wiederherstellen. »Aber das tun wir nicht. Nicht, wo wir jetzt schon so weit gekommen sind.«
»Jedenfalls nicht, solange wir nicht David gefunden haben«, bestätigte Nico.
In diesem Moment begriff Alina etwas, das sie eigentlich die ganze Zeit über schon bemerkt, aber nicht hatte wahrhaben wollen: Der Tunnel, durch den sie gingen, hatte eine komplett andere Struktur als die Gänge rund um den U-Bahnhof. All die kleineren und gröÃeren Zerstörungen, die Unebenheiten der Wände, der unbehandelte Boden und vor allem die Decke, die auch dort, wo sie keine Zerstörungen aufwies, eine kaum fassbare unruhige Struktur hatte â hier war nichts in Beton gegossen. Aus welchem Material dieser Gang stattdessen gebaut worden war, hätte Alina aber nicht sagen können, und erst recht nicht, wann.
Aber er gehörte nicht zum Bahnhofsbereich, da war sie sich mehr als sicher.
Sie blieb stehen.
Vor ihnen sah sie etwas, das ihr schon einmal in einem uralten Gewölbe ganz in der Nähe aufgefallen war: lange Schleifspuren, die wie aus dem Nichts am Boden auftauchten und in die Unendlichkeit des unterirdischen Labyrinths zu führen schienen. In ihnen hatte sich stellenweise eine dunkle, teerähnliche Substanz abgelagert. Das Seltsamste aber war, dass der Boden um diese Vertiefungen herum wie verätzt wirkte.
»Was ist das?«, fragte Maya.
Alina vermied es, ihrer Phantasie freie Zügel zu geben und sich genauer vorzustellen, was für ein Wesen diese Schleifspuren verursacht haben könnte. Stattdessen zuckte sie nur mit den Schultern. Die Spuren waren schlieÃlich nicht das einzig Seltsame in diesem Tunnel. Noch ein Stück weiter vor ihnen meinte sie jetzt eine Höhle zu erkennen. Oder doch nicht? Das Licht hier ⦠Nicos Taschenlampe flackerte noch einmal auf und erlosch dann ganz â¦
Sie blinzelte. In ihr breitete sich ein merkwürdiges Gefühl aus. Die Ahnung von etwas, das jetzt passieren würde, passieren musste.
Er ist gekommen. Sie ist gekommen. Sie sind da. Lasst uns beginnen.
Obwohl ihre einzige Lichtquelle ausgefallen war, herrschte keine absolute Dunkelheit in dem Tunnel. Ein sanftes grünes Wabern umfing sie stattdessen, hüllte sie auf eine fast körperliche Art ein. Alina hörte Maya etwas sagen, es klang besorgt. Nico antwortete, gespielt ruhig.
Alinas Atem ging nun heftiger.
»Und da hast du einfach deinen Wurm wegmachen lassen«, hörte sie die keifende Stimme von Polizeidirektorin Juretzko. »Wie konntest du nur, du Schlampe«, zeterte ihre Stiefmutter. »Sie ist eine Kindsmörderin«, jauchzte ihr kleiner Bruder. »Eine echte Kindsmörderin!«
Alina stöhnte auf. Die fürchterliche Schuld lastete wie ein schweres Gewicht auf ihrer Brust, schnürte ihr den Atem ab, drohte sie zu ersticken. Allein die Gewissheit, dass etwas sie erwartete, trieb sie weiter an. Was vor unendlicher Zeit begonnen hatte, musste endlich zu Ende gebracht werden.
Sie ging tiefer in den Tunnel hinein. Etwas knirschte unter ihr, geriet ins Rutschen. Sie merkte es kaum.
Ich habe mein Kind umgebracht. Den kleinen Wurm. Wie konnte ich nur?
»Nicht!«, schrie Maya. »Bleib stehen!«
Sie hörte die Worte, und sie spürte, wie sie wegzugleiten drohte. Doch es kümmerte sie nicht. Sie musste das jetzt durchziehen, wenn sie ihre Schuld tilgen wollte. Wenn sie endlich finden wollte, was sie ihr ganzes Leben lang gesucht hatte.
Das hast du nicht verdient, Mörderin.
Sie tauchte mit dem nächsten Schritt in die Unendlichkeit ein. Unter ihr war das Nichts, oder vielleicht war da auch alles oder zumindest das, nach dem es sie immer verlangt hatte.
Lass los. Füge dich in dein Schicksal.
Sie verlor den Halt, rutschte
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