Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wyrm

Wyrm

Titel: Wyrm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
seinem Gesicht verwirrte Coppelstone zutiefst. Er sah bestürzt aus und für einen Moment fast zornig.
    »Ich musste es tun, Reverend«, sagte er. »Diese Männer hätten uns getötet, glauben Sie mir.«
    »Ja, das … das wird wohl die Wahrheit sein«, murmelte Reeves. »Bitte verzeihen Sie mir, Mister Coppelstone. Ich war nur … überrascht.«
    »Das war ich selbst«, gestand Coppelstone. »Aber jetzt kommen Sie! Wir haben keine Zeit!«
    Reeves erwachte endlich aus seiner Erstarrung, legte das Buch aus der Hand, in dem er bei Coppelstones Eintreten gelesen hatte, und trat neben ihn. »Wie wollen Sie hier herauskommen?«, fragte er.
    »Wir haben Hilfe«, antwortete Coppelstone.
    »Hilfe? Hier?!«
    »Morrison«, antwortete Coppelstone. »Er bringt uns hier weg.«
    »Morrison?!« Reeves wirkte nun vollends fassungslos. »Sind Sie sicher?«
    »Eigentlich wollten wir bis Sonnenaufgang warten«, bestätigte Coppelstone. »Aber nun werden wir unsere Pläne wohl ein wenig ändern müssen. Kommen Sie, Reverend. Schnell! «
    Sie traten nebeneinander auf den Gang hinaus. Der Mann, den Coppelstone niedergeschlagen hatte, lag mit weit aufgerissenen starren Augen auf dem Rücken und hatte beide Hände um den Hals gekrampft. Coppelstone konnte nicht erkennen, ob er noch atmete.
    Reeves kniete rasch neben ihm nieder, tastete mit den Fingern nach seiner Halsschlagader und seufzte dann tief.
    »Lebt er noch?«, fragte Coppelstone.
    Anstelle einer Antwort schloss Reeves dem Toten mit einer fast sanften Bewegung die Augen und machte mit dem Daumen das Kreuzzeichen auf seiner Stirn.
    »Oh nein«, flüsterte Coppelstone. »Das … das wollte ich nicht.« Die Worte waren ehrlich gemeint, trotz allem, was er vorher gedacht hatte. Er hätte weiter getötet, um sein Leben zu verteidigen – aber das bedeutete nicht, dass es weniger schlimm war. »Ich wollte ihn nicht töten, Reverend. Bitte, das … das müssen Sie mir glauben.«
    »Er war kein guter Mensch«, sagte Reeves leise. »Aber trotzdem ein Mensch. Doch er hat sich mit Mächten eingelassen, die nicht von Gottes Hand geschaffen wurden. Es ist nicht Ihre Schuld, Mister Coppelstone. Er hat bekommen, was ihm zustand.«
    Das war nicht die Antwort, die Coppelstone erwartet hatte. Er hatte nicht ernsthaft erwartet, dass Reeves ihm die Absolution erteilte – aber auch nicht das.
    Als hätte er seine Gedanken gelesen, richtete sich Reeves wieder auf und sah ihn offen an. »Ich kann nicht mehr sagen als das, Mister Coppelstone«, sagte er. »Was hier geschehen ist, müssen Sie mit sich selbst ausmachen. Doch bedenken Sie, dass auch unser Herr nicht gezögert hat, mit eiserner Hand die auszutilgen, die gegen seine Gesetze verstießen.«
    Reeves schien eindeutig ein Anhänger des Alten Testaments zu sein, dachte Coppelstone. Aber jetzt war auch eindeutig nicht der Moment, über theologische Fragen zu diskutieren. Nach einem letzten Blick auf den Toten wandte er sich vollends um und begann die Treppe hinunterzugehen. Er sah nicht zurück, hörte jedoch, dass Reeves ihm folgte.
    Bis auf Buchanan und seine Begleiter schien das Haus tatsächlich leer gewesen zu sein, denn sie begegneten niemandem mehr, bis sie den großen Raum im Erdgeschoss erreichten.
    »Wir müssen Morrison finden«, sagte Coppelstone. »Ich sollte in seinem Zimmer ausharren, bis die Sonne aufgeht, aber ich schätze, so lange können wir jetzt nicht mehr warten.«
    »Kaum«, bestätigte Reeves. Coppelstone wollte die Tür öffnen und auf den Hof hinaustreten, doch Reeves legte ihm rasch die Hand auf die Schulter und schüttelte zugleich den Kopf.
    »In diesem Fall warten wir vielleicht besser hier«, sagte er. »Ich habe zufällig gehört, wie Buchanan seinem Begleiter gegenüber erwähnte, dass er später noch mit Morrison reden wollte. Ich vermute, er kommt hierher.«
    Coppelstone gefiel die Vorstellung nicht, hier zu warten, wo nicht nur Morrison, sondern auch andere jeden Moment auftauchen konnten. Doch er widersprach nicht. Reeves hatte ja durchaus recht: Die Wahrscheinlichkeit, dass Morrison hier erscheinen würde, war sehr viel höher als die, dass er vor Sonnenaufgang noch einmal in sein Zimmer ging. Und so lange konnten sie keinesfalls warten. Irgendwann würden Buchanan oder einer der anderen wieder zu sich kommen und zweifellos sofort Alarm schlagen. Coppelstone dachte voller Bedauern daran, dass er es versäumt hatte, eines der Gewehre mitzunehmen, mit denen die Wächter bewaffnet gewesen waren; oder besser

Weitere Kostenlose Bücher