Xeelee 1: Das Floss
Händen zu greifen, und beide kamen mit schweißnassen Gesichtern dort an.
Baert wandte sich unbeholfen um, seine in Schlappen steckenden Füße suchten Halt an dem genieteten Abhang, und er grinste zu Rees herunter: »Ganz schön anstrengend«, befand er. »Aber es lohnt sich. Hast du deine Eintrittskarte?«
Rees fummelte in seinen Taschen herum, bis er das kostbare Stück Papier gefunden hatte. Verwirrt sah er zu, wie Baert einem Kontrolleur die Eintrittskarten zeigte und folgte ihm dann durch ein schmales Tor.
Das Theater des Lichts war ein ovaler Raum mit einer Längsachse von etwa fünfzig Metern, die dem scheinbaren Gefälle des Decks folgte. Im höher gelegenen Teil des Theaters waren Bänke angebracht. Rees und Baert nahmen ihre Plätze ein, und Rees blickte auf eine kleine, auf Pfosten ruhende Bühne, so daß sie eine horizontale Lage einnahm – also gegenüber dem ›schrägen‹ Deck geneigt war – und hinter der Bühne konnte er als riesige Kulisse das Floß zum Zentrum hin abkippen sehen, ein breiter Abhang aus Metall, bestanden mit schachtelartigen Gebäuden und wirbelnden, rauschenden Bäumen.
Das Theater war im Nu voll. Rees schätzte, daß ungefähr hundert Leute in dem Raum Platz fanden, und es fröstelte ihn ein wenig vor Unbehagen bei dem Gedanken, daß so viele Menschen an einem Platz zusammen waren.
»Was zu trinken?«
Erschreckt drehte er sich um. Ein bildschönes Mädchen stand mit einem Tablett voller Gläser neben ihm. Er versuchte, ihr Lächeln zu erwidern und eine Antwort zu formulieren, aber irgend etwas irritierte ihn an der Art, wie sie dastand…
Ohne ein Anzeichen von Anstrengung oder Unbequemlichkeit hielt sie sich senkrecht zum Deck, wobei sie die virtuelle Schieflage ignorierte und so selbstverständlich dastand, als ob es eben wäre. Rees fühlte, wie ihm der Unterkiefer herunterklappte, und all seine sorgfältig konstruierten Überlegungen darüber, daß die Schieflage des Decks nur eine optische Täuschung sei, lösten sich in Luft auf. Denn wenn sie senkrecht stand, dann bedeutete das, daß er ohne einen Halt auf einer schiefen Ebene saß…
Mit einem erstickten Schrei taumelte er rückwärts.
Baert half ihm lachend auf die Füße, und das Mädchen hielt ihm mit einem entschuldigenden Lächeln einen Schwenker mit einem hellen, süßen Getränk hin. Rees fühlte, daß seine Wangen wie Feuer brannten.
»Was war das?«
Baert unterdrückte ein Lachen. »Tut mir leid. Das passiert jedem, der zum erstenmal herkommt. Ich hätte dich warnen sollen…«
»Aber wie bringt sie es fertig, so zu gehen?«
Baert hob seine schmalen Schultern. »Wenn ich es wüßte, wäre der Spaß verdorben. Vielleicht hat sie magnetische Sohlen an den Schuhen? Das Komische dabei ist, es ist nicht das Mädchen, das dich umhaut… Es ist die Tatsache, daß du etwas siehst, was mit deinen Vorstellungen unvereinbar ist und deinen Gleichgewichtssinn durcheinanderbringt.«
»Ja, echt stark.« Rees saugte lustlos an seinem Getränk und beobachtete, wie das Mädchen durch die Menge ging. Ihr Gang wirkte leicht und natürlich, aber so sehr er sich auch bemühte, er konnte nicht herausfinden, wie sie die Balance hielt. Aber bald gab es noch spektakulärere Vorgänge zu beobachten. Da waren zum Beispiel Gaukler mit Keulen, die in den unmöglichsten Konstellationen durch die Luft flogen, aber mit absoluter Sicherheit wieder in den Händen ihrer Besitzer landeten.
Während des Applauses sagte Rees zu Baert: »Es ist wie Magie.«
»Keine Magie«, korrigierte der andere. »Einfache Physik; mehr steckt nicht dahinter. Da sperrst du wohl deine Bergmannsaugen auf, was?«
Rees runzelte die Stirn. Auf dem Gürtel hatte man nur wenig Zeit für Gauklerkunststückchen… und ohne Zweifel würden die Bergleute mit ihrer harten Arbeit all dies auf irgendeine indirekte Weise subventionieren müssen. Unauffällig ließ er seinen Blick über die anderen Zuschauer gleiten. Jede Menge goldener und roter Borten, aber nicht allzu viel Schwarz oder andere Farben. Nur die oberen Klassen? Er unterdrückte einen Anflug von Ressentiment und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Show zu.
Bald mußte die Hauptvorstellung anfangen. Ein Trampolin wurde aufgestellt und verdeckte die Sicht auf die Bühne. Die Menge wurde still. Ein Blasinstrument spielte eine sentimentale Melodie, und ein Mann und eine Frau, beide in einfachen Bodies, betraten die Bühne. Sie verneigten sich vor dem Publikum, stiegen auf das Trampolin und
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