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Xeelee 1: Das Floss

Xeelee 1: Das Floss

Titel: Xeelee 1: Das Floss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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fort, indem er unterschiedlich schwere Pendelgewichte und größere Schwingungswinkel ausprobierte.
    Die nächste Unterrichtsstunde war eine Überraschung. Hollerbach trat gemessenen Schrittes ein, musterte die Studenten und forderte sie auf, die Ständer, an denen ihre Pendel immer noch hingen, zu nehmen und winkte sie hinter sich her. Dann wandte er sich um und marschierte aus dem Labor.
    Die Studenten folgten ihm nervös und umklammerten ihre Versuchsanordnungen; Doav verdrehte aus Überdruß an der ganzen Sache die Augen.
    Hollerbach führte sie auf eine ordentliche Wanderung, die auf einer breiten Straße unter dem Baldachin von sich drehenden Bäumen entlangführte. Der Himmel war wolkenlos, und das Sternenlicht sprenkelte die Platten des Decks. Trotz seines Alters hatte Hollerbach einen ganz schönen Schritt drauf, und als er unter freiem Himmel einige Meter jenseits vom Rand des fliegenden Waldes eine Marschpause einlegte, hatte Rees den Eindruck, daß seine Beine nicht die einzigen jungen Beine waren, die etwas schmerzten. Er schaute sich neugierig um und blinzelte in das direkte Sternenlicht; seit Beginn des Unterrichts hatte er kaum eine Gelegenheit gehabt, hierher zu kommen, und die scheinbare Schieflage des genieteten Decks unter seinen Füßen fühlte sich merkwürdig an.
    Feierlich ließ sich Hollerbach mit untergeschlagenen Beinen auf die Decksplatten nieder und ersuchte seine Studenten, es ihm nachzutun. Er stellte eine Reihe von Kerzen auf die Platten. »Nun, meine Damen und Herren«, sagte er bedeutungsvoll, »möchte ich Sie bitten, die Experimente der letzten Stunde zu wiederholen. Stellen Sie Ihre Pendel auf.«
    Es gab hier und da ein unterdrücktes Stöhnen in der Klasse, für Hollerbach wahrscheinlich unhörbar. Die Studenten begannen zu arbeiten, und Hollerbach stand ruhelos auf und ging zwischen ihnen umher. »Sie sind Wissenschaftler, vergessen Sie das nicht«, sagte er zu ihnen. »Sie sind hier, um zu beobachten, nicht, um zu urteilen; Sie sind hier, um Messungen vorzunehmen und Erkenntnisse zu gewinnen…«
    Rees’ Ergebnisse waren… irgendwie merkwürdig.
    Während Hollerbachs Kerzenvorrat herunterbrannte, ging er sorgfältig seine Resultate durch, wiederholte Versuche und machte Proben.
    Schließlich unterbrach Hollerbach. »Ergebnisse, bitte. Doav.«
    Rees hörte das tiefe Stöhnen des Offiziersschülers. »Kein Unterschied«, sagte er lustlos. »Dasselbe Resultat wie beim letzten Mal.«
    Rees runzelte die Stirn. Das war falsch; die Perioden, die er gemessen hatte, waren länger gewesen als die gestrigen – nur wenig länger, zugegeben, aber doch so, daß es auffallen mußte.
    Stille breitete sich aus. Doav rutschte unbehaglich hin und her.
    Dann machte Hollerbach ihn fertig. Rees mußte ein Grinsen unterdrücken, als der alte Wissenschaftler über die nachlässige Methodik des Offiziersschülers, sein Desinteresse, seine Faulheit und seine Unwürdigkeit, die goldenen Schulterstücke zu tragen, herzog. Am Ende waren Doavs Wangen knallrot.
    »Jetzt will ich die richtige Lösung hören«, murmelte Hollerbach schwer atmend. »Baert…«
    Der nächste Assistent gab eine Antwort, die mit der von Rees übereinstimmte. Hollerbach fragte: »Was also ist geschehen? In welcher Weise haben sich die Bedingungen, unter denen das Experiment durchgeführt wurde, geändert?«
    Die Studenten stellten Spekulationen an, sprachen von der Wirkung des Sternenlichts auf die Pendelgewichte, vom ungenaueren Meßverfahren – Hollerbachs Kerzen flackerten hier draußen viel stärker als im Labor – und vielen anderen Dingen. Hollerbach hörte aufmerksam zu und nickte gelegentlich.
    Nichts von alledem, was die anderen sagten, überzeugte Rees. Er starrte die einfache Konstruktion an, als wolle er sie auffordern, ihr Geheimnis preiszugeben.
    »Was ist mit der Schwerkraft?« fragte Baert schließlich zögernd.
    Hollerbach hob die Augenbrauen: »Ja, was ist damit?«
    Baert war ein großer dünner junger Mann; nun rieb er sich unsicher die schmale Nase. »Wir sind hier etwas weiter vom Schwerkraftzentrum des Floßes entfernt, richtig? Also wird die Einwirkung der Gravitation auf das Pendel wahrscheinlich etwas geringer sein…«
    Hollerbach sah ihn intensiv an und sagte nichts. Baert wurde rot und fuhr fort: »Die Schwerkraft bringt das Pendel zum Schwingen, indem sie an ihm zieht. Wenn also die Schwerkraft abnimmt, nimmt die Schwingungsdauer zu… Ergibt das irgendeinen Sinn?«
    Hollerbach wiegte den Kopf.

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