Xeelee 1: Das Floss
mir keine Gedanken machen.« Er grinste und leckte sich die Lippen. »Du wirst dich sogar noch darüber freuen, wenn du erst ein bißchen durstiger bist…«
Üble Vorahnungen gingen durch Rees’ Hirn. Er schauderte, nahm seinen Blick jedoch nicht von Quid. »Was soll ich jetzt machen?«
Quid lachte erneut. »Das bleibt dir überlassen. Du kannst hierbleiben und auf einen Flug warten, der nie kommen wird. Oder mit mir kommen.« Er winkte und machte sich mit dem Eisen unter dem Arm auf den Weg über die elastische Oberfläche.
Rees blieb noch für ein paar Sekunden stehen. Er wollte nicht einfach jede Hoffnung aufgeben, von diesem Ort wegzukommen, und sei sie noch so schwach. Aber er hatte wirklich keine andere Wahl; diese groteske Gestalt war sein einziger Bezugspunkt.
Er verlagerte das Gewicht des Eisens in seinen Armen und schritt vorsichtig über den warmen, unebenen Boden.
Sie legten ungefähr den halben Umfang der Mikrowelt zurück und kamen dabei an primitiven Behausungen vorbei, die wahllos über die Oberfläche verstreut waren. Meistens handelte es sich dabei um einfache Zelte, die aus Oberflächenmaterie genäht waren und gerade eben den Regen abhalten konnten. Andere hingegen waren solider und standen, wie Rees sah, auf Eisenfundamenten.
»Beeindruckt, Mineur?« lachte Quid. »Wir steigen langsam in der Gesellschaft auf, stimmt’s? Schau, sie haben uns bisher alle geschnitten. Das Floß, die Bergleute, alle. Viel zu stolz, um sich mit den Boneys einzulassen, bei dem ›Verbrechen‹, das unsere Existenz darstellt… Doch jetzt geben die Sterne nichts mehr her, nicht wahr, Bergmann? Plötzlich kämpfen sie alle ums Überleben, und plötzlich lernen sie alle die Lektionen, die wir schon gelernt haben, in den Tausenden von Schichten.« Er beugte sich näher zu Rees und winkte wieder. »Es ist alles ein Geschäft, siehst du. Für ein wenig Eisen und ein paar Luxusgüter füllen wir die leeren Lebensmittelspeicher der Bergleute. Solange sie einen schön verpackten Behälter bekommen, machen sie sich nicht allzu viele Gedanken um seinen Inhalt. Hab’ ich nicht recht?« Und er lachte wieder, wobei er Rees’ Gesicht mit Speichel besprühte.
Rees zuckte zurück, unfähig zu sprechen.
Ein paar Kinder kamen aus den Hütten und starrten Rees an. Ihre Gesichter waren ausdruckslos und ihre nackten Körper gedrungen und schmutzig. Die Erwachsenen nahmen kaum Notiz von ihm; sie saßen in einem engen Kreis in ihren Hütten und sangen ein leises, getragenes Lied. Rees konnte die Worte nicht verstehen, aber die Melodie war zyklisch und eindringlich.
»Tut mir leid, wenn wir ungesellig wirken«, sagte Quid. »Aber es befindet sich ein Wal zwischen uns und dem Kern, und wir werden ihn bald mit unseren Gesängen zu uns herlocken.« Quids Augen nahmen einen träumerischen Ausdruck an, und er leckte sich die Lippen.
Als sie eine besonders schäbige Hütte passierten, brach Rees mit einem Fuß durch die Oberfläche und fand sich knöcheltief in einer fauligen, stinkenden Masse. Mit einem Schrei riß er den Fuß heraus und rieb ihn an einem saubereren Abschnitt der Oberfläche ab.
Quid lachte lauthals.
Aus der Hütte war eine Stimme zu vernehmen: »Nimm’s nicht tragisch. Du gewöhnst dich noch dran.«
Rees blickte hoch. Diese Stimme hatte er schon einmal gehört. Ohne an den Dreck zu denken, näherte er sich der düsteren Hütte und warf einen Blick ins Innere. Sie wurde von einem einzelnen Mann bewohnt. Er war blond, und sein kleiner, hagerer Körper war in die Überreste eines Umhangs gehüllt. Sein Gesicht wurde durch einen wild wuchernden Bart verdeckt… »Gord, bist du das?«
Der Mann, der einmal der Chefingenieur des Gürtels gewesen war, nickte betrübt. »Hallo, Rees. Ich kann nicht gerade behaupten, daß ich mit dir gerechnet hätte. Ich dachte, du wärst zum Floß zurückgeflogen.«
Rees sah sich um. Quid, sichtlich amüsiert, schien auf ihn zu warten. Rees hockte sich hin und gab Gord einen kurzen Abriß seiner Geschichte. Dieser nickte mitfühlend. Seine Augen waren blutunterlaufen und schienen in der Dunkelheit zu leuchten.
»Aber was machst du hier?«
Gord zuckte die Achseln. »Eine Explosion in der Gießerei zuviel. Ein Toter zuviel. Sie haben schließlich entschieden, daß ich für das alles verantwortlich war und mich hierher geschickt… Es sind ziemlich viele von uns aus dem Gürtel hier, mußt du wissen. Zumindest sind ziemlich viele hierher gebracht worden… Es ist schlimmer geworden,
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