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Xeelee 1: Das Floss

Xeelee 1: Das Floss

Titel: Xeelee 1: Das Floss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Sterne so dicht zusammenstehen, daß sie sich fast berührten: ihr trübes Licht zog lange Bahnen hinter sich her, und sekundenlang wirbelten sie in einer Pirouette umeinander herum. Später passierten die Wale einen massiven Stern, dessen Fusionsprozeß erschöpft zu sein schien; doch das durch die Schwerkraft verdichtete Eisen auf seiner Oberfläche glühte noch düster nach. Die Oberfläche war in ständiger Bewegung: alle paar Minuten löste sich ein Stück, hinterließ einen vielleicht mehrere Meter breiten Krater und versprühte geschmolzene Partikel einige Meter weit in die Luft. Der Gigant wurde in mehrminütigen Intervallen von kleineren Sternen umkreist, und da mußte Rees an Hollerbachs Vortrag denken: hier war ein anderes Modell des ›Sonnensystems‹, und zwar nicht aus Metallkugeln, sondern aus echten Sternen…
    Die Schule erreichte eine andere durch die Gravitation zusammengehaltene Sternenballung, doch diesmal gab es kein gigantisches Zentralgestirn: statt dessen wirbelte ein Dutzend kleiner Sterne, von denen einige noch brannten, in einem komplexen und chaotischen Reigen durcheinander. Einen Moment lang schien es so, als ob zwei Sterne kollidieren würden… aber sie taten es nicht, sondern rasten in einem Abstand von wenigen Metern aneinander vorbei, drehten sich und wurden in andere Richtungen davongeschleudert. Die Bewegung der Sternenfamilie wies weder eine Struktur noch eine Periodizität auf – und Rees, der während seiner Zeit auf dem Floß die chaotischen Aspekte des Drei-Körper-Paradigmas studiert hatte, wunderte sich auch darüber nicht.
    Die Dunkelheit verstärkte sich weiter. Die zunehmende Schwärze in Flugrichtung sagte Rees, daß sie sich dem Kern näherten. Er erinnerte sich daran, wie er während der Revolte mit diesem jungen Wissenschaftler Dritter Klasse den Nebel mit einem Teleskop erkundet hatte – wie war noch gleich sein Name? Nead? Er hätte es sich kaum träumen lassen, eines Tages diese Exkursion vor Ort durchzuführen, und noch dazu auf eine solch phantastische Art…
    Wieder dachte er kurz an Hollerbach. Was würde dieser alte Mann darum geben, diese Wunder sehen zu können? Eine Stimmung der Zufriedenheit, vielleicht hervorgerufen durch seine Erinnerungen, ergriff von Rees Besitz.
    Wie auf seiner Erkundungsreise mit dem Teleskop lüfteten sich die Nebel vor dem Kern wie Schleier vor einem Gesicht, und Rees konnte nun das Trümmerfeld um den eigentlichen Kern herum ausmachen. Durch die Spalten in der Schale aus Bruchstücken flackerte rosafarbenes Licht.
    Langsam dämmerte Rees, daß er seinem eigenen Tod ins Auge sah. Was würde ihn zuerst erwischen? Die von dem Schwarzen Loch emittierte harte Strahlung? Vielleicht würde der Tidenhub der Kerngravitation ihm Kopf und Glieder vom Körper reißen… oder möglicherweise würde er hilflos in der Luft treiben, während sich die weichere Substanz des Wals auflöste, gebraten oder erstickt in der sauerstofflosen Atmosphäre.
    Doch noch immer hielt dieses merkwürdige Gefühl der Zufriedenheit an, und nun spürte er gar eine getragene, beruhigende Musik im Kopf. Er entspannte die Muskeln und lehnte sich bequem an die Innenseite des Walkopfes. Wenn hier wirklich Endstation sein sollte – na gut, wenigstens war es eine interessante Reise gewesen.
    Und womöglich war mit dem Tod noch nicht einmal alles zu Ende. Rees erinnerte sich an einige der simplen religiösen Theoreme auf dem Gürtel. Was, wenn die Seele irgendwie den Körper überlebte? Was, wenn er seine Reise mit einem anderen Transportmittel fortsetzen würde? Ihn überkam eine Vision von einem Strom körperloser Seelen, die mit langsamen Flossenschlägen im All verschwanden…
    Flossen? Was, zum Teufel…
    Er schüttelte den Kopf und versuchte die bizarren Bilder und Töne zu verdrängen. Verdammt, er wußte selbst nur zu gut, daß er dem Tod nicht mit einem elegischen Lächeln und Visionen vom Leben danach gegenübertreten sollte. Er sollte lieber kämpfen und einen Ausweg suchen…
    Doch wenn dies nicht seine eigenen Gedanken waren, wessen dann?
    Mit einem Schauder drehte er sich herum und betrachtete das um den Ösophagus zentrierte Gehirn des Wals. War das Vieh am Ende gar ein Halbtelepath? Wurden die Bilder von dieser nur wenige Meter entfernten Masse in seinen Kopf projiziert?
    Er dachte daran, wie der Jagdgesang der Boneys die Wale angelockt hatte. Vielleicht erzeugte dieser Gesang einen telepathischen Sog, der die Wale becircte und anzog. Auf einmal

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