Xeelee 2: Das Geflecht der Unendlichkeit
vernichten. Wie soll also dieses kosmische Auge, euer Letzter Beobachter, jemals Wirklichkeit werden, wenn nicht einmal die Xeelee uns zu seiner Genese führen wollen?«
Ihre Nasenflügel bebten. »Ihr werdet uns also nicht unterstützen. Ihr werdet versuchen, uns aufzuhalten. Michael Poole, du bist ein…«
Poole nahm die Hände hoch. »Schau, du brauchst dir nicht noch mal die Mühe zu machen, mich zu beleidigen. Ich bin sicher, daß ich ein Narr bin, aber ich bin ein Narr, der sich selbst nicht traut, wenn es um die finale Auflösung der Geschichte des Universums geht. Ich glaube, daß ich alles tun würde, um die Verwirklichung einer solchen Lösung zu verhindern.«
»Vielleicht wird das Projekt kein Erfolg, oder vielleicht kann es auch kein Erfolg werden«, sagte Shira. »Aber dennoch bleibt es die beste und einzige Hoffnung, das Joch der Qax abzuschütteln.«
»Nein«, widersprach er. Er lächelte und wurde von einer immensen Traurigkeit erfaßt; auf eine irrationale Art schämte er sich dafür, daß er systematisch die Ideale dieser jungen Person zerstörte. »Ich befürchte, daß dies nämlich das entscheidende Argument ist, Shira. Tatsache ist, daß wir euer Projekt gar nicht brauchen.« Er nickte Parz zu. »Jasoft hat es uns gesagt. Die Menschen werden sich von der Unterdrückung durch die Qax befreien können. Es wird zwar lange dauern und beinahe die Vernichtung der Qax bedeuten – aber daß es so kommen wird, wissen wir nun, und daß es durch die simplen und überraschenden Aktionen eines einzigen Mannes bewerkstelligt werden wird. Aufgrund der Unberechenbarkeit der Menschheit.« Er musterte ihr leeres Gesicht, die Oberfläche einer unvollständigen Persönlichkeit, wie ihm jetzt bewußt wurde. »Die ganz gewöhnliche Menschheit wird die Qax am Ende schlagen, Shira. Aber das liegt jenseits deiner Vorstellungsmöglichkeiten, hab ich recht? Wir werden eure grandiosen Pläne, die Freiheit durch Sabotage der Geschichte zu erringen, nicht benötigen.«
»Aber…«
»Und wie ich es sehe, kann dieses Ergebnis nur zunichte gemacht werden«, setzte Michael seinen Vorstoß fort, »wenn wir das Portal offen lassen; wenn wir den Qax noch mehr Optionen auf die Manipulation der Geschichte – zu ihren Gunsten – einräumen. Ich bedaure, daß ich überhaupt an der Konstruktion dieses verdammten Gerätes beteiligt war und damit den ganzen Ärger erst verursacht habe. Alles, was ich jetzt tun möchte, ist, das in Ordnung zu bringen…«
»Du wirst dabei umkommen«, ergriff Shira den letzten Strohhalm.
Er lachte. »Komischerweise scheint das jetzt gar nicht mehr so wichtig zu sein… Aber ich will euch nicht alle mitnehmen, wenn es nicht sein muß. Harry, gib mir eine Option, sie abzusetzen, bevor wir auftreffen.«
»Schon in Arbeit«, meinte Harry ruhig. »Noch dreizehn Minuten bis zum Portal.«
Parz schien sich unbehaglich in seinem Sessel zu winden. »Ich glaube nicht, daß ich es verdient habe, so abserviert zu werden«, beklagte er sich.
»Dann interpretiere es eben als Auftrag«, meinte Michael launig. »Ich brauche dich, um dieses Mädchen von Bord zu bringen. Glaubst du denn, sie würde freiwillig gehen?«
Parz studierte kurz Shira, wie sie vor Michael stand und die kleinen Fäuste abwechselnd ballte und öffnete. »Wahrscheinlich nicht«, sagte er traurig.
»Zwölf Minuten«, verkündete Harry.
14
AUS EINER VERNARBTEN und gequetschten Höhlung in der elefantengrauen Haut des Spline hüpfte ein drei Meter durchmessender Augapfel ins All und zog eine dicke optische Nervenfaser hinter sich her. Durcheinanderwuselnde Antikörper-Drohnen schwärmten über die transparente Oberfläche des Auges und an der Nervenfaser entlang. Rotes Laserlicht stach funkelnd aus den Mundöffnungen von einem Dutzend der Drohnen und sägte an dem Strang; schließlich war die Faser durchtrennt, wobei sie sich auf einer Länge von einem ganzen Meter in winzige Fragmente aufgelöst hatte. Dann schoß das Kriegsschiff auf die blaue Öffnung des Interface-Portals zu; Drohnen, die sich krampfhaft festhalten wollten, glitten von dem ausgesetzten Auge und dem durchtrennten Nervenstrang ab, wobei sie sich immer noch gegenseitig mit nadelfeinen, intensiven Laserstrahlen beharkten.
Als sich der Spline auf die Größe eines Knotens versengten Fleisches reduziert hatte, drehte Jasoft Parz sich um und inspizierte das Innere der Augenkammer. Seine einzige Begleitung, die Freundin von Wigner, Shira, trieb irgendwo in der Nähe des
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