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Xeelee 2: Das Geflecht der Unendlichkeit

Xeelee 2: Das Geflecht der Unendlichkeit

Titel: Xeelee 2: Das Geflecht der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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stellte sich vor, wie seine traurige Realität sich auflöste und das graue Licht des darunterliegenden optimalen Zustandes erschiene.
    Tränen bildeten sich unter seinen geschlossenen Augen. Wenn einem ein Blick auf einen solchen Zustand gewährt würde, dachte er, würde man angesichts der Misere dieser unrealisierten Existenzebene mit Sicherheit verrückt werden.
    Wenn das die Grundlage des Glaubens der Freunde war, dann war es kein Wunder, daß sie so entrückt und intensiv waren – so gleichgültig gegenüber ihrem Alltagsleben, dem Schmerz und Leiden und Tod anderer. Die augenblickliche Geschichte war nicht mehr als ein schäbiger Prototyp der bevorstehenden globalen Optimierung, wenn der Letzte Beobachter alle niederen Entwicklungslinien eliminierte.
    Und so war es auch kein Wunder, dachte er, daß die Freunde so wenig menschlich waren. Ihre mystische Vision hatte ihrem eigenen Leben jegliche Bedeutung genommen – das einzige Leben, das sie erfahren konnten, wenn der Inhalt ihrer Philosophie einmal unberücksichtigt blieb – und ihnen einen schweren Defekt beschert, ihnen die Menschlichkeit geraubt. Er öffnete die Augen und musterte Shira. Wieder registrierte er die geduldige Intensität, die diesem zerbrechlichen Mädchen innewohnte – und er erkannte jetzt auch, wie geschädigt sie durch ihre Philosophie war.
    Sie lebte nicht richtig, und könnte es vielleicht auch niemals; er merkte, daß er Mitleid mit ihr hatte.
    »In Ordnung, Shira«, sagte er zärtlich. »Danke, daß du mir so viel gesagt hast.«
    Parz seufzte fast sehnsüchtig; sein kleines, verschlossenes Gesicht drückte beherrschten Kummer aus. »Aber sie hat uns noch immer nicht alles erzählt. Hab’ ich recht, Mädchen?« Mit einer gewissen Schärfe in der Stimme fuhr er fort: »Ich meine, wenn du wirklich an diese wunderbare Vision glaubst – daß die Vergangenheit, die wir durchlebt haben, die Gegenwart und Zukunft, die wir erdulden müssen – nur Prototypen für eine große, perfekte Version sind, die uns eines Tages vom Ende der Zeit aufgedrückt wird – worin besteht dann überhaupt der Sinn des ganzen Projekts? Warum müßt ihr dann überhaupt noch etwas tun, um eure Lebensbedingungen im Hier und Heute zu ändern? Warum haltet ihr diesen Schmerz nicht einfach aus und wartet darauf, daß es am Ende aller Dinge schon gerichtet wird?«
    Sie schüttelte den Kopf. »In meiner Zeit sind die Menschen den Qax hilflos ausgeliefert. Wir konnten zwar die Ressourcen für unsere Rebellion auftreiben, aber im Grunde war es nur das glückliche Erscheinen eures Schiffes aus der Vergangenheit, das uns diese Möglichkeit eröffnete.
    Eine solche Rebellion könnte sich niemals mehr wiederholen.
    Michael Poole, wir glauben, daß die Besatzung der Qax schließlich zum Niedergang der Menschheit führen wird. Die Qax werden die Menschheit – unabsichtlich vielleicht – vernichten. Und dadurch werden sie alle möglichen Zeitlinien auslöschen, auf denen die Menschen die Besatzungszeit überleben, sich der im Entstehen begriffenen größeren, reiferen Gemeinschaft intelligenter Spezies anschließen und zum Wissenspotential dieser mächtigen MultiZivilisation am Ende der Zeit beitragen. Die Qax werden den Datenfluß darüber unterbinden, wer die Menschen waren und in der Zukunft hätten sein können. Das ist eines der größten nur denkbaren Verbrechen – und wir würden uns dem auch widersetzen, wenn wir als Spezies nicht davon betroffen wären…
    Aber das sind wir. Und wir glauben, daß wir die Qax loswerden müssen, um die künftige Rolle der Menschheit zu gewährleisten.«
    Poole schob eine Lippe vor. »Jasoft, was sagst du zu dieser Diagnose?«
    Parz breitete die Hände aus. »Sie könnte recht haben. Vor dieser katastrophalen Abfolge von Ereignissen, die ironischerweise von den Freunden selbst ausgelöst wurde, hatten bei den Qax aus meiner Ära keine Pläne für unsere Vernichtung bestanden – wir waren zu nützlich, in ökonomischer Hinsicht. Aber auf Dauer hätten wir eine lange Knechtschaft wohl nicht überstehen können…
    Und mit Blick in die Zukunft wissen wir, daß Shiras Vorhersage eintreten muß, aber anders, als sie sich das vorstellen konnte. Der Terraner Jim Bolder wird die Zerstörung der Heimatwelt der Qax verursachen und sie in die Diaspora schicken. Nach diesem Stand der Dinge wird die Vernichtung der Menschheit wohl zu einem primären Ziel für die Qax werden.«
    Poole nickte; er hatte Shiras Reaktionen während dieses Diskurses

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