Xeelee 3: Ring
zweitausend Lichtjahre zurückgelegt – in einer so kurzen Zeit, daß ich sie nicht einmal messen konnte…«
Louise nahm ihre Hand von Seilspinnerins Wange und legte sie ihr auf die Schulter. »Seilspinnerin, ich kann diese Kuppel lichtdurchlässig machen. Möchtest du das?«
Seilspinnerin wollte erst gar nicht darüber nachdenken. »Tu es, Louise.«
Louise nahm ihren Helm an sich und flüsterte Instruktionen in ihr Kehlkopfmikro.
Von der Erde aus betrachtet war der Trifid-Nebel einst ein schwaches Glühen im Sternbild des Schützen gewesen – er stand so groß wie der Vollmond am Himmel, leuchtete aber viel schwächer; über eine Distanz von mehr als zweitausend Lichtjahren von der Erde waren leistungsstarke Teleskope erforderlich gewesen, um seine phantastischen Farben zur Geltung zu bringen. Das Licht benötigte mehr als dreißig Jahre, um diesen Nebel zu durchlaufen. Louise und Mark hatten den Trifid als erstes Ziel für den Hyperantrieb ausgewählt. Selbst wenn der Nightfighter Hunderte von Lichtjahren vom Kurs abwich, bot der Nebel noch immer eine unübersehbare Kursmarkierung.
Aber die Steuerung hatte funktioniert. Louises Programmierung hatte den Nightfighter auf einen Abstand von sechzig Lichtjahren zum Rand des Nebels gebracht.
Der Nebel war eine Wand, die sich halb über Seilspinnerins Blickfeld erstreckte. Er war ein pastellfarbenes Gebilde in Pink- und Rottönen. Dunkle Streifen zogen sich annähernd Y-förmig durch den Nebel und unterteilten ihn in drei Segmente. Die Materie wirkte ziemlich ruhig, dachte Seilspinnerin, wie ein riesiges Bild aus Wasserfarben. Sterne leuchteten durch die blassen Randbezirke des Nebels – und sie schienen auch in seinem Zentralbereich.
»Das ist ein Strahlungsnebel, Seilspinnerin«, erklärte Louise abwesend. »Es befinden sich Sterne innerhalb des Gases; ultraviolettes Sternenlicht ionisiert den Wasserstoff des Nebels und regt das Gas dadurch zum Leuchten an…« Sie streckte die Hand aus. »In diesen dunklen Gräben existieren keine Sterne; sie sind Dutzende von Lichtjahren lang. Der Nebel heißt deswegen Trifid, weil er durch die Streifen in drei Abschnitte geteilt wird… siehst du es? Und – kannst du auch diese kleineren, kompakten dunklen Punkte erkennen? Sie werden als ›Bok-Kugeln‹ bezeichnet… der Geburtsort neuer Sterne, die im Innern des Nebels entstehen.«
Seilspinnerin wandte sich Louise zu; die Stimme der Ingenieurin klang monoton und detachiert.
»Louise? Stimmt etwas nicht?«
Louise sah sie an. »Es tut mir leid, Seilspinnerin. Ich sollte wohl eher jubeln. Schließlich hat der Hyperantrieb uns genau dorthin gebracht, wo ich hinwollte. Und außerdem hatte ich den Trifid nur als Kursmarkierung benutzt. Aber – verdammt, der Trifid hatte so viel mehr bedeutet, Seilspinnerin. Die Farben, die das ganze Spektrum von Blau, Grün bis Rot abdeckten… Es gab heiße, helle junge Sterne dort drinnen, die den Nebel schier zum Lodern brachten.
Aber jetzt sind diese Sterne verschwunden. Ausgelöscht, oder explodiert, oder sie haben ihre Lebenszyklen durchlaufen, wie jeder andere Stern in der Galaxis auch.
Es fällt mir schwer, das alles zu akzeptieren. Ich versuche es zwar, aber ständig sticht mir so etwas wie das hier in die Augen.«
Seilspinnerin wandte sich wieder dem Nebel zu und versuchte, sich in seinem Licht zu verlieren.
Louise, deren Gesicht vom weichen Licht des Nebels konturiert wurde, lächelte. »Und was ist mit dir…? -Was, Seilspinnerin, du weinst ja.«
Konsterniert fuhr sich Seilspinnerin mit dem Handgelenk über die Wange. Sie war feucht. Verlegen wischte sie die Tränen weg. »Mir geht es gut«, versicherte sie. »Es ist nur…«
»Ja?«
»Es ist so schön.« Seilspinnerin betrachtete die Adlerschwingen des Nebels und sog die blassen Farben in sich ein. »Louise, ich bin so glücklich, hier zu sein und das zu sehen. Uvarov hätte damals schließlich auch einen anderen durch die Schleuse schicken können, und nicht mich und Pfeilmacher. Du hättest jemand anderen auffordern können, sich für dich mit dem Nightfighter vertraut zu machen – und nicht mich.
Louise, ich hätte das verpassen können. Ich wäre vielleicht gestorben, ohne es gesehen zu haben – ohne auch nur zu wissen, daß es überhaupt existiert.« Sie schaute Louise unsicher an. »Verstehst du das?«
Louise lächelte. »Nein.« Sie griff in den Käfig und tätschelte Seilspinnerins Arm. »Aber früher hätte ich wohl genauso empfunden. Komm jetzt,
Weitere Kostenlose Bücher