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Xeelee 3: Ring

Xeelee 3: Ring

Titel: Xeelee 3: Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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ihre linke Seite bewegt hätte.
    Sie hob die Hand, drehte sie vor dem Gesicht und studierte dabei den Einfallswinkel des Lichts und die Falten im Material des Handschuhs. Die Qualität des Lichts selbst hatte sich auch verändert; es wirkte jetzt diffuser – die Schatten noch weicher, das Licht mehr pinkfarben und heller.
    Sie ließ den Kopf auf die Brust fallen. Durch die Lagen des Anzugsgewebes konnte sie die harten Konturen der Pfeilspitze ihres Vaters ertasten, die gegen die Brust drückte. Sie preßte die Spitze ins Fleisch und spürte, wie die Haut durchbohrt wurde; der nadelfeine Schmerz war wie ein isolierter, stationärer Punkt der Realität inmitten dieses Universums aus rotierendem Licht.
    Langsam drehte sie den Kopf.
    Die Sonne war verschwunden. Wo ihre gigantische Masse vorher den Himmel mit rotem Rauch überzogen hatte, war jetzt nur noch Leere – Schwärze, verwaschene, geschrumpfte Sterne.
    Und zu ihrer Linken war eine Wand aus rosafarbenem Gas entstanden, die von dunklen Streifen durchzogen wurde und deren Ränder in die Schwärze ausfaserten. Es war eine Wolke voller Sterne, die einen Durchmesser von etlichen Lichtjahren haben mußte.
    Sie mußte Hunderte – vielleicht sogar Tausende - Lichtjahre gereist sein. Und sie hatte nichts gespürt. Ein bloßer Knopfdruck…
    Sie fiel vornüber und barg den Kopf im Schoß. Sie preßte die Pfeilspitze in die Haut, legte eine Hand auf das Helmvisier und schabte darauf herum, um an das Gesicht zu gelangen. Sie spürte, wie sich ihre Blase entleerte; warme Flüssigkeit strömte durch den Katheter.

    »Seilspinnerin. Seilspinnerin…«
    Hände auf den Schultern, die sie schüttelten; eine entfernte Stimme. Ihr Daumen war in den Mund gerammt. Der Schmerz in der Brust hatte sich in ein dumpfes Pochen verwandelt.
    Jemand zog vorsichtig die Hand von ihrem Mund weg.
    Vor ihr hing ein breites, müdes, von einem grauen, dicken Haarwuschel gekröntes Gesicht, wobei ein schiefes Lächeln Besorgnis verriet.
    »Louise…?«
    Louises Lächeln wurde breiter. »Weilst du also wieder unter uns. Gott sei Dank; willkommen daheim.«
    Seilspinnerin schaute sich um. Sie war noch immer in ihrem Cockpit; die Steuergeräte saßen noch immer auf dem tiefschwarzen Hufeisen aus Werkstoff vor ihr, und die Sensorfelder waren noch immer beleuchtet. Aber eine Kuppel aus einer milchigen, undurchsichtigen Substanz hatte sich um die Kanzel gelegt und blendete das unglaubliche Bild draußen aus.
    Louise betrachtete sie eingehend. Sie schwebte vor dem Käfig, mit dem sie durch eine kurze Sicherungsleine verbunden war; die zwischen den Stangen des Käfigs hindurchgesteckten Hände hielten ein feuchtes Tuch. »Hier. Du solltest dich mal saubermachen.« Seilspinnerin schaute an sich hinunter. Ihr Helm lag im Schoß. Ihre Hände waren naß von Speichel – und sie hatte das Kinn vollgesabbert –, und wo Louise Seilspinnerins Anzug geöffnet hatte, war die Brust mit einer Vielzahl kleiner, blutender Punkte übersät.
    »Was für eine Sauerei«, stellte Seilspinnerin fest. Sie betastete die Brust.
    Louise zuckte die Achseln. »Es ist nicht weiter schlimm, Seilspinnerin. Obwohl ich mich beeilen mußte; ich mußte die Sauerstoffkuppel aufbauen, bevor du das Helmvisier öffnen konntest.«
    Seilspinnerin nahm den Helm; sie griff durch das Visier und ertastete den Apfelsaft-Nippel. »Louise, was war mit mir los?«
    Louise grinste und griff zwischen den Stäben aus Werkstoff hindurch; mit ihrer alten, ledrigen Hand berührte sie Seilspinnerins Wange. »Der Hyperantrieb war mit dir los. Du hast keinen Grund, dich für irgend etwas zu schämen, Seilspinnerin. Ich wußte ja, daß es nicht leicht werden würde, aber daß es dann so traumatisch sein würde, habe ich nicht geahnt.«
    Seilspinnerin runzelte die Stirn. »Ich habe überhaupt keinen Eindruck einer Bewegung verspürt. Es schien magisch, unglaublich. Selbst beim Diskontinuitätenflug treten visuelle Effekte auf; man kann sehen, wie die Planeten auf einen zukommen, und die Blauverschiebung, und…«
    Louise seufzte und fuhr sich über das Gesicht. »Ich weiß. Manchmal vergesse ich wohl, daß es sich hier um ein Schiff der Xeelee handelt. Es ist einfach nicht für menschliche Bedürfnisse konzipiert… Ich halte den Schluß für zulässig, daß die Xeelee über eine etwas robustere psychische Konstitution verfügen als wir.«
    »Aber hat es denn wenigstens funktioniert, Louise?«
    »Ja. Ja, es hat funktioniert, Seilspinnerin. Wir haben über

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