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Xeelee 3: Ring

Xeelee 3: Ring

Titel: Xeelee 3: Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Seilspinnerin. Wir haben unsere Aufgabe hier erledigt. Laß uns wieder nach Hause fliegen.«
    Seilspinnerin setzte den Helm auf. Als sie den Anzug schloß, hielt sie die Augen auf die unglaubliche Schönheit von Trifid gerichtet.

22

    LIESERL BETRAT den Speisesalon der Great Britain.
    Sie verhielt unsicher in dem niedrigen Gang. Sie war von der antiken Schönheit des Ortes überwältigt: Von den filigranen Säulen und Fliesen, den an den Wänden glitzernden Spiegeln. Sie kam als letzte zu diesem merkwürdigen Dinner; insgesamt waren es sechs Personen – drei Männer und drei Frauen –, die bereits Platz genommen hatten und sich in der Mitte einer der langen Tafeln gegenübersaßen. Das einzige Licht wurde von Kerzen gespendet (waren es echte Kerzen oder nur Projektionen?), die zwischen ihnen auf dem Tisch standen. Während die Leute sich unterhielten, leuchteten ihre Gesichter, das edle Besteck und die Gläser im flackernden, goldenen Licht; Schatten zogen sich durch den Rest des alten Salons und verwandelten ihn in einen geheimnisvollen, ja sogar romantischen Ort.
    Einer der Männer drehte sich bei ihrem Hereinkommen um. Er erhob sich, schob den Stuhl zurück und kam lächelnd auf sie zu. Seine blauen Augen kontrastierten mit dem dunklen Gesicht.
    Sie spürte einen seltsamen, absurden Anflug von Nervosität; sie führte die Hand zum Mund und fühlte das rauhe Fleisch und die tief darin eingegrabenen Falten. Dies war ihre erste wirkliche menschliche Interaktion seit fünf Millionen Jahren… Aber wie lächerlich, dabei eine solch pubertäre Nervosität zu empfinden! Sie war eine KI mit geologischem Alter, und doch war sie nach wenigen Subjektiv-Tagen wieder in die komplexe, unglaublich schwierige Welt menschlicher Interaktion eingetaucht.
    Sie verspürte das plötzliche, intensive und nostalgische Bedürfnis, in das saubere, helle Innere der Sonne zurückzukehren. Die ganzen Jahrtausende, die sie mit den Photino-Vögeln um den Kern gekreist war, kamen ihr jetzt wie ein langer, phantastischer Traum vor: Ein Zwischenspiel, hier, in der wirklichen menschlichen Realität…
    Der Mann streckte die Hand aus und berührte ihren Arm. Sein Fleisch war fest und warm.
    Sie schrie auf und taumelte zurück.
    Fünf Gesichter, vom Kerzenlicht hell beschienen, wandten sich ihr zu, und die Konversation brach ab.
    Lieserl war seit Megajahren nicht mehr berührt worden.
    Der Mann beugte sich zu ihr; seine Augen leuchteten blau und schelmisch. »Es tut mir leid«, meinte er. »Ich konnte einfach nicht widerstehen. Ich bin Mark Bassett Friar Armonk Wu.«
    Sie straffte sich und starrte ihn an. Die plötzliche Berührung hatte ein Zittern tief in ihrem Magen verursacht, und sie war sicher, daß ihre Wangen sich gerötet hatten, trotz ihres physischen Alters von fünfundsechzig. Sie war sich Marks Präsenz neben ihr lebhaft bewußt – zu lebhaft, nachgerade irritierend.
    Erneut ergriff er ihren Arm, diesmal zarter, und geleitete sie zu der Dinnergesellschaft. »Ich werde Sie nicht mehr erschrecken, das verspreche ich. Und ich bin hier der einzige Virtuelle – natürlich in einer anderen Form als Sie.«
    »Diese Virtuell-Illusionen sind manchmal einfach verdammt zu gut«, sagte sie. Ihre Stimme klang zittrig – schwach, dachte sie. Es würde lange dauern, bis sie Mark Wu diesen Trick verziehen hatte.
    Er führte sie zu einem Stuhl und zog ihn für sie zurück – dann war das also auch virtuell – und sie nahm bei den anderen Platz.
    Die ihr gegenübersitzende Frau beugte sich vor und lächelte. Lieserl blickte auf ein breites Gesicht mit hohen Wangenknochen, müden Augen und einem grauen Haarschopf. »Ich heiße Louise Ye Armonk«, stellte sie sich vor. »Seien Sie hier willkommen, Lieserl.«
    »Ah«, meinte Lieserl. »Louise. Die Anführerin.«
    Einer der Männer – grotesk blind, kahlköpfig und in eine Decke gehüllt – ließ den Kopf auf dem dürren Hals zurückfallen und stieß ein bellendes Lachen aus.
    Louise wirkte erschöpft. »Lieserl, darf ich Garry Uvarov vorstellen… Sie haben bereits mit ihm gesprochen.«
    Dann stellte Louise die anderen vor: Morrow, einen spindeldürren, schweigsamen Mann, der ihre Einspeisung von dem (jetzt aufgegebenen) Interface im Innern der Sonne durch die Maserverbindung geleitet hatte; und zwei zwergenhafte, jung aussehende Frauen mit komischen Namen – Seilspinnerin und Froschfängerin –, deren nackte Haut im formalen Ambiente des Salons einen absoluten Stilbruch darstellte. Ihre

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