Xeelee 3: Ring
Nachdenken angeregt. Sex. Vielleicht war gerade das der Aspekt, der dieser Truppe von antiken Quasi-Unsterblichen abging. Manche hatten sich besser gehalten als andere – und manche, wie zum Beispiel Seilspinnerin, erfreuten sich wiederum einer echten (wenn auch etwas späten) Jugend – aber es existierte hier keine sexuelle Spannung. Diese Leute verstanden sich einfach nicht als menschliche Tiere.
Sie wußte von Uvarovs eugenischen Experimenten auf dem Walddeck, die durch das Bestreben einer direkten Melioration der Spezies inspiriert worden waren. Vielleicht, überlegte sie, war dieser Konvent, mit seiner impliziten Bestätigung der Unzulänglichkeiten der AS-Technologie, eine teilweise Rechtfertigung von Uvarovs Projekt.
Louise Ye Armonk schlug leicht mit dem Löffel gegen ihr Glas. »In Ordnung, Leute«, verkündete sie. »Ich glaube, es ist Zeit, daß wir uns dem Geschäftlichen widmen.«
Uvarov grinste in Lieserls Richtung, wobei er seinen zahnlosen Mund öffnete. »Willkommen im Kriegsrat«, zischte er.
»Nun, vielleicht ist das wirklich ein Krieg«, kommentierte Louise ernst. »Aber im Augenblick sind wir nur Unbeteiligte, die ins Kreuzfeuer geraten sind. Wir müssen unsere Optionen prüfen und dann entscheiden, wohin wir von hier aus gehen werden.«
»Wir befinden uns in – einer schwierigen Situation.« Louise Ye Armonk wirkte sichtlich erschöpft, niedergedrückt von der Verantwortung, die sie übernommen hatte, und Lieserl fühlte Sympathie für diese ziemlich einschüchternde Ingenieurin aufkommen. »Unser Auftrag bestand darin, ein Wurmloch-Interface in dieser Ära, dem Ende der Zeit, zu stationieren und dann durch dieses Interface wieder in unsere eigene Zeit zurückzukehren. Nun, wie wir wissen, hat das nicht funktioniert. Das Interface ist Schrott, das Wurmloch kollabiert – und wir sind hier gestrandet, in dieser Zeit.
Was ich jetzt entscheiden will, ist, wie wir die Zukunft unserer Leute sichern. Alles andere – alles – wird diesem Aspekt untergeordnet. Einverstanden?«
Für einen Moment herrschte Schweigen an der Tafel; Lieserl registrierte, daß kaum jemand in Louises kalte Augen blickte.
Morrow beugte sich ins Licht vor. Mit leichter Belustigung sah Lieserl, wie seine knochigen Handgelenke unter den Ärmeln hervorkamen. »Ich gehe mit Louise konform. Wir haben eine Priorität, und wirklich nur eine. Und die ist der Schutz der Menschen in diesem Schiff: Der Zweitausend, auf den Decks und im Wald. Das ist es, was zählt.«
Louise lächelte. »Morrow, Sie haben es getroffen. Und was genau meinen Sie?«
»Ist doch offensichtlich«, erwiderte Morrow. »Zum Besseren oder Schlechteren, wir sind jetzt die Bewahrer einer tausend Jahre alten Kultur – einer Kultur, die sich unter den Bedingungen entwickelt hat, die ihr während des Fluges auferlegt wurden. Der begrenzte Raum, die limitierten Ressourcen… und die konstante Schwerkraft von einem Gravo.
Aber nun ist der Flug vorüber. Und wir haben die Schwerkraft aufgehoben, praktisch ohne Vorwarnung. Sie wissen, daß wir die Blockade durch die Tempel ohne Opfer an Menschenleben aufheben konnten. Aber, Louise, ich kann Ihnen nicht sagen, daß sich das Leben auf den Decks wieder normalisiert hätte. Wie sollte es auch? Die meisten Leute haben Mühe damit, nicht verrückt zu werden, ganz zu schweigen davon, wieder an die Arbeit zu gehen. Es werden keine Lebensmittel mehr produziert. Im Moment leben wir noch von den Lagerbeständen, aber die werden auch nicht mehr lange reichen.«
Froschfängerin schob das Gesicht ins Licht. »Und im Wald werden die Biotope…«
Louise hielt die Hände hoch. »Genug. Morrow hat es auf den Punkt gebracht. Vorschläge, bitte.«
Morrow und Froschfängerin wechselten Blicke. »Wenn es eine Erde gäbe, zu der man zurückkehren könnte«, sagte Morrow langsam, »würde ich sagen, daß wir es tun sollten.«
»Aber es gibt keine mehr«, konterte Uvarov ätzend. Seine Stimme war ein Raspeln, das von einem Gerät in seiner Kehle synthetisiert wurde. »Oder hast du es vielleicht doch nicht so auf den Punkt gebracht?«
Morrow war sichtlich irritiert, aber dennoch entschlossen, seinen Standpunkt zu vertreten. »Ich weiß, daß die Erde nicht mehr existiert.«
»Also?« fragte Louise.
»Also«, entgegnete Morrow nachdrücklich, »schlage ich vor, daß wir im Schiff bleiben. Wir überholen es schnell und besorgen noch mehr Reaktionsmasse. Dann schicken wir es auf einen Ein-Gravo-Flug.«
»Wohin?« wollte Mark
Weitere Kostenlose Bücher