Xeelee 3: Ring
ihrer Ökosysteme. Warum sollten wir jetzt also nicht auch Verantwortung für unser langfristiges Überleben als Spezies übernehmen?« Sie hätte lachen mögen. »Suprahet denkt wirklich in großen Maßstäben, nicht wahr?«
Milpitas setzte sich auf die Kante ihrer Couch. »Aber was bedeutet Überleben überhaupt in solchen zeitlichen Dimensionen? Selbst mit AS-Behandlung können Individuen – wir – unmöglich bis in alle Ewigkeit leben. Wo soll dann der Sinn liegen? Überleben des Genotyps? Oder der Kultur unserer Spezies – der Meme, der kulturellen, vielleicht in irgendeiner Form konservierten Elemente…«
Uvarov schaute nun fasziniert drein, dachte Louise; seine ganze Ungeduld und Gereiztheit war verflogen, und er starrte begierig hoch zu der virtuellen Darstellung der Zukunft. »Entweder das eine oder das andere oder vielleicht auch beides. In meiner Eigenschaft als Mensch aus Fleisch und Blut habe ich naturgemäß Vorbehalte gegenüber dem Überleben des jetzigen Genotyps in einer anderen Form. Die Konservierung bloßer Informationen ist in meinen Augen eine reichlich sterile Option.
Aber was auch immer Überleben letztlich bedeutet, es ist völlig unerheblich. Seht euch an, was sich außerhalb der Kuppel befindet. In dieser Zeit, in die Michael Poole gereist ist, hat nichts von uns überlebt, in keiner wie auch immer gearteten Form. Und das ist die Katastrophe, an deren Abwendung wir nach Suprahets Willen – eindeutig – arbeiten sollten.«
Louise schürzte die Lippen. »Wenn das wirklich eine derart vordringliche Angelegenheit ist, warum ist Suprahet dann eine so kleine, konspirative Organisation? Warum werden die Aktivitäten der Rasse dann nicht in erster Linie durch die Ziele von Suprahet motiviert?«
Poole seufzte. »Weil der Fall eben doch nicht so dringlich ist. Offensichtlich. Louise, als Spezies sind wir es nicht gewohnt, in solchen Zeiträumen zu denken. Noch nicht. Man spricht von Hybris: Von Vergleichen mit den Freunden von Wigner, die durch die Zeit zurückkamen, um – offenkundig – die Geschichte zu manipulieren und die Besetzung durch die Qax abzuwenden.« Er sah Louise müde an. »Es besteht ja nicht einmal Einigkeit darüber, was ihr hier seht. Ich habe euch gerade einmal ein Szenario gezeigt, das aus den Daten des Interface-Zwischenfalls rekonstruiert wurde. Vielleicht, so wird argumentiert, befassen wir uns mit Problemen, die überhaupt nicht relevant sind.«
Louise verschränkte die Arme. »Und was, wenn es doch wahr sein sollte?«
»Aber wenn auch nur die geringste Wahrscheinlichkeit besteht, daß diese Interpretation korrekt ist«, wandte Uvarov ein, »wäre es dann nicht eine Investition wert, selbst wenn die Rendite unsicher ist?«
Mark runzelte die Stirn. »Nehmen wir also die Northern und fliegen damit in die Zukunft. Der Flug nach Tau Ceti wird auf lediglich hundert Jahre veranschlagt.«
Poole nickte. »Mit moderner Technik wird die Reise der Northern in die Zukunft nicht mehr als tausend Relativjahre dauern…«
»Poole, das ist unmöglich«, erwiderte Mark lachend. »Kein Schiff hätte eine derartige physikalische Lebensdauer. Kein isoliertes Ökosystem könnte so lange überdauern. Eine geschlossene Gesellschaft würde auseinanderbrechen… Wir wissen ja nicht einmal, ob die AS-Behandlung einen Menschen über eine solche Zeitdauer am Leben erhalten kann.«
Louise schaute zu den simulierten Sternen hoch. Tausend Jahre? Mark hatte recht; es war unmenschlich lang – aber sie hatte zugleich auch das Gefühl, daß es noch nicht lang genug war…
Uvarov nickte. »Aber ganz klar sind Sie deswegen ausgewählt worden: Louise, die beste Ingenieurin dieser Tage, und mit dem Willen, solch immense Projekte durchzuziehen. Sie, Mark Wu, ein guter Sozioingenieur…«
»Es gibt bessere«, winkte Mark ab.
»Aber die sind auch nicht mit Louise verheiratet.«
»Waren verheiratet.«
Poole wandte sich an Milpitas. »Die Planung geht dahin, daß Sie, Serena, die Great Northern für ihren einmaligen Tausend-Jahre-Flug vorbereiten. Und Sie, Doktor Uvarov, verfügen über profunde Kenntnisse der Möglichkeiten und Grenzen der Konstruktion der menschlichen Physis; Sie werden Mark Wu helfen, die Leute – die Spezies – am Leben zu erhalten.«
Louise sah, wie Uvarovs Augen strahlten.
»Ich habe nicht vor, an diesem Flug teilzunehmen«, eröffnete Mark. »Zumal die Northern ja schon über einen Schiffsingenieur verfügt. Und einen Arzt, nicht zu vergessen.«
Poole lächelte.
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