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Xeelee 3: Ring

Xeelee 3: Ring

Titel: Xeelee 3: Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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alphanumerischen Beschriftungen und zeigten ihr so die grundlegenden Eigenschaften des Standardmodells. Das Modell – über die Jahrtausende verfeinert und aktualisiert – repräsentierte die Funktionsweise der Sonne aus der aktuellen menschlichen Perspektive. Sie schaute ins Innere des Kerns und sah, wie, in Übereinstimmung mit dem Modell, Druck und Temperatur in Richtung auf den Kern langsam anstiegen; der Temperaturgradient wurde als eine komplexe dreidimensionale Sphäre in Pink und Rot dargestellt, die im geometrischen Mittelpunkt ein intensives Violett mit fünfzehn Millionen Grad erreichte.
    Langsam bildeten ihre Prozessoren die Realität – so, wie sie sich ihr jetzt darbot – im Kontrast zur Theorie ab; Kurven und Darstellungen überlagerten sich wie Sträuße bunter Blumen.
    Nach einigen Minuten stabilisierte sich ihre Sicht. Sie überflog die komplexen Abbildungen, welche die Kaverne ausfüllten, vergrößerte bestimmte Bereiche und untersuchte Abweichungen.
    O nein, sagte Scholes. Nein. Etwas stimmt nicht.
    »Was?«
    Die Abweichungen, Lieserl. Vor allem im Kernbereich. Das kann einfach nicht stimmen.
    Sie war amüsiert. »Ihr habt euch die ganze Mühe gemacht, mich zu konstruieren und hierherzuschicken, und jetzt, wo ich hier bin, zweifelt ihr meine Angaben an?«
    Aber sieh dir doch nur mal die Abweichungen vom Modell an, Lieserl. Auf ein Kommando von Scholes hin wurden die Soll- und Ist-Werte der Temperatur in kräftigen Pinktönen dargestellt. Schau dir das mal an.
    »Hmm…«
    Nach dem Standardmodell hätte die Temperatur mit zunehmender Entfernung von der Fusionsregion schnell fallen müssen – um ganze zwanzig Prozent des Maximums nach einem Zehntel des Sonnenradius. Aber in der Realität fiel der Temperaturrückgang wesentlich niedriger aus… wie Lieserl registrierte, nur wenige Prozent über eine Strecke von mehr als einem Viertel des Radius.
    »Das ist eigentlich gar nicht so erstaunlich, stimmt’s?« Als Retourkutsche blendete sie eine eigene Graphik ein, eine Variante des Standardmodells. »Schau dir das an. Hier ist ein Modell mit einer Dunkelmaterie-Komponente – Photinos, die den Kern umkreisen.« Die Dunkelmaterie – schnelle, fast nicht nachweisbare Partikel, die aufgrund des Schwerefeldes der Sonne um ihren Kern zentriert waren – transportierten Energie aus dem Kern in die ihn umgebenden Schichten. »Siehst du? Die Photinos führen kinetische Energie – Wärmeenergie – aus dem Kern ab. Die maximale Temperatur kommt nicht mehr zur Entfaltung, und der Kern wird isotherm – mit einheitlicher Temperatur – bis zu etwa zehn Prozent des Radius.«
    Scholes klang echauffiert und ungeduldig. Ja, räumte er ein, aber was wir hier sehen, ist ein isothermer Bereich, der den dreifachen Radius abdeckt – das fünfundzwanzigfache Volumen, das selbst von der großzügigsten Variante des Standardmodells vorgesehen ist. Das ist unmöglich, Lieserl. Da muß irgendwo ein Fehler in…
    »Worin? In den Augen, die ihr für mich entwickelt habt? Oder in euren eigenen Erwartungen?«
    Gereizt löschte sie alle Grafiken. Die Sphäre und die Konturenlinien implodierten in einem Feuerwerk aus Bildpunkten und enthüllten wieder das eigentliche Panorama der Konvektionskaverne, eine komplexe, gespenstische Mischung aus Flußröhren, p-Modi und Konvektionszellen.
    Frustriert, mit einer Analogie nervöser Unruhe, die sich in ihr aufbaute, schickte sie ihr virtuelles Ich auf einen Inspektionsflug durch die Kaverne. Sie jagte die rotierenden p-Wellen-Modi vor sich her und brach durch Flußröhren. »Kevan. Was, wenn der von uns beobachtete Effekt real wäre? Vielleicht ist es diese Divergenz im Kern, die zu ermitteln du mich hierhergeschickt hast.«
    Kann sein… Lieserl, was wirst du als nächstes tun?
    »Es ist noch früh, aber ich glaube, daß es hier draußen bald nichts mehr für mich zu tun gibt.«
    Hier draußen?
    »In der Kaverne – der Konvektionszone. Alles, was uns an Hinweisen vorliegt, ist nur indirekt, Kevan. Die eigentlichen Vorgänge spielen sich tiefer ab, am Kern.«
    Aber du kannst nicht noch tiefer hinuntergehen, Lieserl. Deine Konstruktion… Das Wurmloch wird implodieren, wenn du versuchst, in die Strahlungszone einzudringen…
    »Vielleicht. Aber es ist deine Aufgabe, die entsprechenden Untersuchungen durchzuführen, Kevan.«
    Sie stieg zum glühenden Dach der Kaverne auf und stürzte mit hundertsechzig Kilometern pro Sekunde dem Plasma-Meer entgegen, vorbei an den träge pulsierenden

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