Xeelee 3: Ring
schaute auf und erzitterte; sie kam sich uralt vor. »Michael – du hast doch sicher erwartet, bei der Zerstörung des Wurmlochs zu sterben.«
»Ja… wie du aber sehen kannst, ist das Wurmloch – möglicherweise – doch nicht kollabiert.« Sein Blick verriet Verwirrung. »Ich bin nur eine Projektion, Louise – ich teile diese Erinnerungen nicht mit Poole… Aber es gibt Beweise. Einige der Partikel, die in unserer eigenen Zeit von dem kollabierenden Interface emittiert wurden, waren viel zu energiereich, als daß sie nur durch den Zusammenbruch eines einzigen Wurmlochs hätten entstehen können.
Wir glauben vielmehr, daß der Zusammenprall neue, sich verzweigende Wurmlöcher erschaffen hat – bzw. auf jeden Fall erweitert hat –, welche die Crab dann weiter in die Zukunft getragen haben. Vielleicht viel weiter.
Wir verfügen über Simulationen, die demonstrieren, unter welchen Umständen ein solcher Vorgang eintreten kann, vorausgesetzt, die korrekten Paradigmen der Hyperantriebs-Physik werden zugrundegelegt – vor allem, wenn bereits im Sonnensystem der Besatzungszeit weitere Wurmlöcher existierten – die vielleicht von den Qax implementiert wurden. Tatsache ist jedenfalls, daß wir allein schon aufgrund der Annahme, daß die Verzweigung aufgetreten ist, ganze Bereiche der Hyperantriebs Theorie ad acta legen können…«
Der Virtuelle stand auf und schritt langsam über den transparenten Boden. »Ich war entschlossen, die Brücke zu sperren – die Bedrohung durch Invasionen aus der Zukunft zu eliminieren. Aber – das muß ich euch sagen – Suprahet hält das für einen Fehler.« Der Virtuelle verschränkte die Hände. »Schließlich hatten wir ja bereits einen Einfall der Spline abgeschlagen. Nach Pooles Abflug erhielt die Analyse des Zwischenfalls mit den Qax höchste Priorität für Suprahet. Aber weil das Wurmloch nun gesperrt ist, kann Suprahet nicht mehr tun, als die Wahrheit über die Zukunft unserer Spezies anhand von Fragmenten, von indirekten Indiziensplittern zu extrapolieren …«
»Das ist doch nicht dein Ernst, Michael«, wandte Louise ein.
Poole blickte gehetzt drein; erneut, so bemerkte Louise schmerzlich, befand sich seine Persönlichkeit im Konflikt mit der ihm von Suprahet auferlegten Programmierung.
Mark schaute zu den sterbenden Sternen hoch. »Nun denn. Hat Poole also überlebt?«
»Ich möchte glauben, daß er es geschafft hat«, meinte Louise. »Wenn auch nur für kurze Zeit, damit er wenigstens verstehen konnte, was er gesehen hat.«
Milpitas legte sich auf ihre Couch und sah zu der Ansammlung trüber, roter Sterne empor. »Ich bin zwar keine Kosmologin… aber diese Sterne sehen so alt aus. Wie weit ist er in die Zeit vorgestoßen?«
Der Virtuelle antwortete nicht.
»Warum zeigen Sie uns das alles?« fragte Uvarov. »Was wollen Sie damit bezwecken?«
Virtuell-Poole richtete seine dünnen Arme auf den desolaten Himmel. »Sehen Sie sich doch mal um, Uvarov. Vielleicht sind wir hier am Ende der Zeit; auf jeden Fall ist es das Ende der Sterne, des baryonischen Lebens. Vielleicht existieren dort draußen andere Lebensformen, die wir nicht als solche erkennen – Wesenheiten aus Dunkelmaterie, der non-baryonischen Materie, die das Universum zu neunzig Prozent ausfüllt. Aber – wo ist die Menschheit? Es gibt hier einfach keine Indizien für Leben, menschliches oder sonstiges.
Suprahet hat aus den Trümmern, welche die Crab zurückgelassen hat, einige Fragmente der Geschichte der Zukunft zusammengefügt. Deshalb wissen wir zum Beispiel von den Xeelee. Wir kennen sogar – glauben wir zumindest – die Bezeichnung des größten Projekts der Xeelee: Den Ring. Aber – was geschieht mit uns? Was geschieht mit der menschlichen Rasse? Was löscht uns aus, indem es die Sterne auslöscht?
Und – so fragt Suprahet – gibt es irgend etwas, das wir tun können, um sie abzuwenden, diese finale Katastrophe?«
Louise schaute zu den erlöschenden Sternen hoch. »Ah. Ich glaube, ich verstehe jetzt, wieso ich hier bin. Suprahet will, daß ich der Hermit Crab folge. Daß ich mit der Great Northern aufbreche – nicht nach Tau Ceti – sondern zu einem Rundflug, wie Pooles Cauchy, um eine Zeitbrücke zu installieren. Suprahet will, daß eine Möglichkeit geschaffen wird – eine stabile Möglichkeit –, diese Ära zu erreichen: Das Ende der Zeit.
Jetzt verstehe ich. Wir haben schon seit langem die Verantwortung für das Management unserer Planeten übernommen – für das Überleben
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