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Xeelee 3: Ring

Xeelee 3: Ring

Titel: Xeelee 3: Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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und Druckgradienten sind recht niedrig. Aber du weißt, daß wir dir von diesem Manöver abraten…
    »Ich weiß.« Sie öffnete die Augen und blickte erneut auf das riesige Meer hinab. Die Angst war noch immer groß und legte sich wie eine Schraubzwinge um ihre Gedanken. »Kevan, ich werde wohl nie mehr den Mut aufbringen, das ein zweitesmal durchzumachen. Entweder jetzt oder nie. Ich werde sogar versuchen, den Fall zu genießen.«
    Bleib dran, Lieserl.
    »Ja«, erwiderte sie. »Und du bleibst bei mir.«
    Plötzlich wurde ihr Sturz gestoppt. Es war, als ob sie gegen eine Wand aus Glas gerannt wäre; sie prallte mit ausgebreiteten Gliedern gegen eine unsichtbare Barriere, und die Luft entwich aus ihrer imaginären Lunge. Hilflos wurde sie sogar ein Stück in die ›Luft‹ geschleudert; dann nahm sie ihren Fall wieder auf, diesmal noch schneller als zuvor.
    »Kevan!« schrie sie.
    Wir haben es gesehen, Lieserl. Ich bin noch da; es ist okay. Alles verläuft nach Plan.
    Nach Plan, dachte sie düster. Wie tröstlich. »Was, zum Teufel, war das?«
    Du befindest dich jetzt am Boden der Konvektionszone. Du hättest mit etwas Derartigem rechnen müssen.
    »Ja?« knurrte sie. »Nun, vielleicht hättest du es mir genauso gut auch sagen können – Eumel!«
    Wieder dieser plötzliche, ruckende Halt, der von einem unangenehmen Salto in die Luft gefolgt wurde, als ob sie ein Blatt im Herbstwind wäre.
    Wie Schlangen und Leitern, dachte sie.
    Du passierst die Übergangsschicht zwischen der Strahlungs- und Konvektionszone; das ist alles, erläuterte Scholes mit bemühter Ruhe. Unter dir befindet sich Plasma; über dir atomares Gas – Materie, die kalt genug ist, daß Elektronen von den Kernen festgehalten werden können.
    Die aus dem Fusionskern aufsteigenden Photonen prallen zwar einfach vom Plasma ab, aber sie geben ihre gesamte Energie an das atomare Gas ab. Es ist der Prozeß, der die Konvektionszone befeuert, Lieserl. Ein Prozeß, der Konvektionsquellen speist, die größer sind als ganze Planeten. Du solltest dich also nicht über das Auftreten leichter Turbulenzen wundern. Die Tatsache, daß die Übergangszone so dünn ist, überrascht uns alle hier draußen …
    Wir verfolgen noch immer deinen Kurs, Lieserl; du brauchst keine Angst zu haben. Du hast den Turbulenzbereich jetzt hinter dir, richtig? Du müßtest dich jetzt wieder im freien Fall befinden.
    »Ja. Ja, das tue ich. Bin ich jetzt also im Meer?«
    Im Meer?
    »Das Plasmameer. Die Strahlungszone.«
    Ja.
    »Aber…«
    Plötzlich verschwamm die vertraute Kulisse aus Konvektionszellen und Flußröhren in ihrem Gesichtsfeld und wurde weiß ausgeblendet. Alles war nur noch weiß, über, vor und unter ihr; sie kam sich vor, als ob sie in einer riesigen, kühlen Eierschale hinge.
    Wie? Was ist das, Lieserl? Was stimmt nicht?
    Zum erstenmal spürte sie, wie sie von echter Panik überfallen wurde.
    »Ich sehe nichts mehr, Kevan.«

    Der durch hell erleuchtete Luft aufsteigende Mark schaute nach unten. Er näherte sich nun der Decke des Frachtraums. Die Basis lag als gläserner Boden tief unter ihm, wobei sich der Ausleger und die Antriebseinheit als geisterhafte Schemen darunter abzeichneten; Menschen und ’bots bewegten sich in allen Richtungen durch den Laderaum und transportierten ihre Fracht.
    Mark versuchte, während ihres Aufstiegs seine eigenen Eindrücke zu analysieren. Für einen Moment kämpfte er gegen ein irrationales Schwindelgefühl an: Ein Gefühl, daß er – ungeachtet der Beweisführung seiner Augen, sich in der Schwerelosigkeit zu befinden – im Falle eines Sturzes vom Scooter auf diesem weit unten liegenden Boden aus Glas aufprallen würde. Er konzentrierte sich auf die nähere Umgebung, die ihn einhüllende dicke Schicht aus warmer, heller Luft. Aber das ließ die kurzen Blicke auf den Ausleger und das Triebwerk – die brutalen Extremitäten des Schiffes – unwirklich erscheinen, als ob die Leere des Weltalls hinter der fragilen Kuppelwand nur eine Illusion wäre.
    Mark fühlte sich unbehaglich. Das Schiff war so groß, so komplex – so echt. Nach ein paar Jahrzehnten würde es ganz selbstverständlich sein, dieses Schiff als eine Welt zu betrachten und zu vergessen, daß es jenseits seiner Hülle noch etwas Reales oder Wichtiges gab.
    Nun näherten sie sich dem Dach des Laderaums: Dem Wartungsschott. Mark schloß zu Garry Uvarov auf, und beide schauten sie zu der anderthalb Kilometer starken Schicht aus Technik hoch. Das Schott war ein Gewirr aus

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