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Xeelee 3: Ring

Xeelee 3: Ring

Titel: Xeelee 3: Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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lebende Mensch war erst ca. vierhundert Jahre alt. Und wer konnte schon den kumulativen Effekt abschätzen, den eine jahrhundertelange Gedankeneditierung mit sich bringen würde?
    … Also war es durchaus möglich, daß kein Mitglied der Ursprungsbesatzung – nicht einmal Louise oder Mark – lange genug existieren würde, um das Ende des Fluges noch zu erleben.
    Aber selbst wenn der letzte Mensch, der das Sonnensystem aus eigener Anschauung kannte, starb, mußten Louise und ihre Truppe dafür sorgen, daß der Zweck der Mission nicht mit ihnen verlorenging.
    Mark hatte den Auftrag, eine Gesellschaft zu entwickeln, die mit dem engen Lebensraum des Schiffes kompatibel war – eine Gesellschaft, die so stabil war, daß sie zehn Jahrhunderte überstehen – und die Mission des Schiffes realisieren konnte.
    Uvarov blickte skeptisch drein. »Aber eine schlichte Demokratie?«
    Mark war von der Intensität überrascht, mit der er auf Uvarovs arroganten Ton reagierte. »Irgendwo müssen wir schließlich anfangen – mit einem Konzept, das von der Besatzung des Schiffes genutzt und erweitert werden kann. Die Verfassung wird flexibel sein. Es wird sogar möglich sein, sie ganz außer Kraft zu setzen, und zwar auf legalem Weg…«
    »Sie begreifen nicht, worauf ich hinauswill«, konstatierte Uvarov honigsüß. »Mark, die Demokratie als Paradigma menschlicher Interaktion ist schon Jahrtausende alt. Und wir wissen doch, wie leicht jeder demokratische Prozeß unterlaufen werden kann. Es gibt zahllose Beispiele dafür, wie Leute ein demokratisches System als spieltheoretisches Regelwerk mißbraucht haben, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen.
    Aktivieren Sie Ihre Phantasie. Gibt es wirklich nichts Besseres? Haben wir denn in der ganzen Zeit nichts über uns selbst gelernt?«
    »Demokratien führen keinen Krieg gegeneinander, Uvarov«, erwiderte Mark kalt. »Demokratien – und seien sie noch so unvollkommen – reflektieren den Willen der Mehrheit, nicht der Minderheit. Oder den Willen eines Einzelnen.
    Wie Sie bereits dargelegt haben, Uvarov, sind und bleiben wir Primitive. Vielleicht sind wir sogar noch so primitiv, daß wir uns nicht einmal zutrauen, auch ohne ein demokratisches Regelsystem auszukommen.«
    Uvarov neigte seinen silberhaarigen Aristokratenschädel – jedoch ohne Überzeugung oder Billigung, als ob er lediglich einem Aspekt der Debatte zustimmte.
    Die vier Scooter stiegen langsam an den halbfertigen Decks empor.

7

    SIE DRIFTETE IN EINEM SCHWALL ionisierter Teilchen. Die Umgebung war isotrop, trübe, amorph. Sie war in einen Bereich andersartiger Materie eingedrungen.
    Lieserl. Lieserl! Ich weiß, daß du mich hören kannst; ich überwache die Rückkoppelungsschleifen. Hör mir einfach zu. Deine Sinne sind überlastet; es wird einige Zeit dauern, bis sie sich an diese Umgebung angepaßt haben. Deshalb hattest du einen ›Whiteout‹. Dafür bist du nicht ausgelegt, verdammt. Aber deine Prozessoren werden bald imstande sein, den Neutrinofluß, die Temperatur und Dichtegradienten zu interpretieren, sogar einige der g-Modus-Muster, und sie werden ein Sensorium für dich implementieren. Du wirst wieder sehen können, Lieserl; warte nur, bis die Prozessoren soweit sind…
    Die Stimme sprach weiter und summte in ihren Ohren wie ein Insekt. Sie schien irrelevant und entfernt. In diesem Plasmasumpf konnte sie nicht einmal den eigenen Körper erkennen. Sie verharrte in Isotropie und Homogenität – überall das Gleiche, und in jeder Richtung. Es schien, als ob das Plasmameer, diese Strahlungszone, ein riesiges Entspannungsbad wäre, das all ihre Sinne neutralisierte.
    Aber sie fürchtete sich nicht. Ihre Angst war jetzt verschwunden, weggewaschen von dem perlenden Licht. Die Stille…
    Verdammt, Lieserl, ich darf dich jetzt nicht verlieren! Hör auf meine Stimme. Du bist hier, um Dunkelmaterie zu suchen, und nicht, um deine Seele zu verlieren.
    Lieserl, verloren in Weiß, gab dem Drängen nach, während die leise, schwache Stimme sich als Flüstern in ihrem Kopf manifestierte.
    Sie träumte von Photinos.

    Dunkelmaterie war der beste Katalysator für das Altern der Sonne.
    Dunkelmaterie machte neunundneunzig Prozent der gesamten Masse des Universums aus; die sichtbare Materie – baryonische Materie, die Grundsubstanz von Sternen, Galaxien, Lebewesen – war quasi ein Überzug, eine dünne Schicht über einem dunklen Meer.
    Die Wirkung von Dunkelmaterie war schon bekannt, lange bevor auch nur ein einziges Teilchen dieser

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