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Xeelee 3: Ring

Xeelee 3: Ring

Titel: Xeelee 3: Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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ergibt einfach keinen Sinn. Und der Gedanke daran macht mich noch verrückt.«
    Pragmatikerin richtete sich auf und stemmte die Fäuste in die Seiten; ihr Gesicht war schweißüberströmt. »Nein, tut er nicht.«
    »Was?«
    »Es macht dich nicht verrückt. Niemand, der so alt ist wie du – oder ich –, kann noch von irgend etwas verrückt gemacht werden. Wir haben nicht mehr genug Energie zum Durchdrehen, Morrow.«
    Morrow seufzte. »In Ordnung. Aber es sollte mich verrückt machen. Und dich auch. Es gibt so vieles, das einfach – nicht ausgesprochen wird.« Er schulterte den halbvollen Obstsack. »Betrachte nur mal die Arbeit, die wir gerade eben tun. Das ist einfach nicht logisch.«
    »Logisch genug. Copaifera-Saft ist ein nützlicher Brennstoff. Und wir brauchen die Früchte, um die Versorgungsmaschinen zu ergänzen, die nicht mehr richtig funktionieren, seit…«
    »Ja«, sagte Morrow ungehalten, »aber woher kommt das Obst denn? Wer bringt es hierher, zu diesen Schleusen? Und…«
    »Und was?«
    »Und wozu brauchen sie die Ratschen und Messer und Achterringe, die wir ihnen bereitstellen?«
    Morrow nahm die Saftflaschen an sich, und Pragmatikerin hängte sich den Obstsack über die Schulter. Dann begannen sie den Hundert-Meter-Marsch zur nächsten Schleuse. Pragmatikerin bewegte sich ruckartig, bald watschelnd, wobei ihre stelzenartigen Beine fast zu schwach schienen, die massive Masse ihres Oberkörpers zu stützen. Aufgrund einer obskuren nanobotischen Panne waren ihre Beine wie Spindeln zusammengeschrumpft und – wie Morrow vermutete, obwohl Pragmatikerin nie irgendwelche diesbezüglichen Beschwerden äußerte, von Arthrose befallen worden.
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Pragmatikerin einfach. »Und ich mache mir darüber auch keine Gedanken.« Sie blickte Morrow von der Seite an. »Die Planer haben dich wieder in die Mangel genommen, nicht wahr? Deshalb bist du so am Kochen.«
    »Aber es ergibt keinen Sinn.« Morrow schaute nervös zu dem Schott über ihm auf. »Dieses Obst muß doch irgendwo herkommen. Dort oben müssen Menschen sein, Pragmatikerin – Menschen, die wir noch nie gesehen haben, deren Existenz uns von den Planern verheimlicht wird, oder…«
    »Menschen also, deren Existenz nicht von Belang ist.«
    »Ist sie doch. Wir treiben Handel mit ihnen.« Er verstummte und hielt den Obstsack vor sich. »Schau dir das an. Wir treiben nun schon seit Jahrzehnten solchen Handel mit ihnen – und bestätigen damit doch implizit ihre Existenz.«
    Pragmatikerin setzte ihren Marsch unter Schmerzen fort. »Es sind schon Jahrhunderte.«
    Morrow erinnerte sich, daß er als junger Mann fast ständig zornig gewesen war. Jetzt – sogar in diesem Augenblick – fühlte er wieder ein geisterhaftes Aufwallen dieses alten Zorns. Er spürte einen diffusen Stolz auf sich selbst: Ein Gefühl des Zorns war dieser Tage ein so seltenes Ereignis wie das Zustandebringen einer Erektion. »Aber das heißt doch, daß unsere Gesellschaft im Grunde leicht wahnsinnig ist.«
    Pragmatikerin schüttelte den massigen Kopf und musterte Morrow mit einem toleranten Gesichtsausdruck. »Wenn du diesen Ton nicht änderst, wirst du den Rest deines Lebens hier oben verbringen. Oder an einem noch ungemütlicheren Ort.«
    »Überleg doch mal«, meinte Morrow. »Eine ganze Gesellschaft, die einer kollektiven Täuschung unterliegt… Kein Wunder, daß sie die Virtuellprojektoren abgeschaltet haben. Kein Wunder, daß sie die Kinder verbannt haben.«
    »Aber wir haben doch alle genug zu essen. Stimmt’s? Also kann es doch gar nicht so verrückt sein.« Sie lächelte, und ihr breites Gesicht nahm einen Ausdruck von Weisheit an. »Die Menschen sind eine sehr fehlerhafte Spezies, Morrow. Wir scheinen einfach nicht imstande zu sein, über einen längeren Zeitraum rational zu handeln. Diese Sache – eine Handelsbeziehung mit den nonexistenten Unbekannten dort oben – erscheint mir da noch als eine eher geringfügige Macke.«
    Morrow betrachtete sie neugierig. »Ist das dein Ernst? Und ich halte mich schon für einen Skeptiker.«
    Pragmatikerin hatte die nächste Schleuse erreicht; sie ließ den Sack fallen, lehnte sich an die gekrümmte Metallwand und stützte die Hände auf die Knie. »Weißt du, wir führen diese Gespräche alle paar Jahre, mein Freund.«
    Morrow runzelte die Stirn. »Wirklich? Tun wir das?«
    »Natürlich.« Pragmatikerin lächelte. »In unserem Alter wird sogar der Zweifel zur Gewohnheit. Und während wir nie zu einem Schluß

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