Xeelee 3: Ring
reduzierte sich zu einem Krächzen. Seilspinnerin trat vor, nahm eine hölzerne Wasserschüssel aus einem Fach in der Struktur des Rollstuhls und ließ etwas Flüssigkeit in Uvarovs höhlenartigen Mund tröpfeln.
»Meine Leute sind meine Augen«, erklärte Uvarov keuchend. »Pfeilmacher ist auf den höchsten Baum geklettert und hat die Sterne studiert. Ich weiß es, Milpitas. Und ich verstehe es.«
Milpitas’ Augen wurden zu Schlitzen. »Sie verstehen nichts.« Er schaute kurz und abschätzig auf Pfeilmacher, der seinen Blick mit kühler Überlegung zurückgab. »Ich habe keine Ahnung, was diese – Person – gesehen hat, als sie auf diesen Baum geklettert ist. Aber ich weiß, daß Sie sich irren, Uvarov. Ende der Unterhaltung.«
»Aber die Sterne – begreifen Sie denn nicht, Milpitas? Es war kein Sternenbogen zu sehen. Die relativistische Phase des Fluges muß vorbei sein…«
Milpitas grinste schmallippig. »Selbst jetzt, durch den Nebel, der Ihren Verstand umgibt, werden Sie vielleicht eingestehen, daß eine große Stärke der von Ihnen derart verachteten Bürokratie im Erstellen von Aufzeichnungen liegt.
Uvarov, wir haben eine gute Buchführung. Und wir wissen, daß Sie sich irren. Nach dieser langen Zeit besteht sicher eine gewisse Unsicherheit, aber wir wissen, daß der tausendjährige Flug frühestens in einem halben Jahrhundert abgeschlossen sein wird.«
Das ließ eine Saite in Morrows Herz anklingen. Er hatte Uvarovs Verlautbarungen wohl nie so recht geglaubt – aber die Autorität eines Planers war dann doch etwas anderes. Nur noch fünfzig Jahre…
»Du bist ein verdammter Narr«, giftete Uvarov; der Rollstuhl ruckte im Takt seiner Erregung vor und zurück.
»Ganz sicher«, erwiderte Milpitas ruhig. »Aber wir werden uns erst dann Gedanken um das Ende der Reise machen, wenn es wirklich aktuell wird. Jetzt möchte ich, daß Sie mein Büro verlassen, alter Mann. Ich habe auch so schon genug zu tun…«
Wie unter einem Zwang trat Morrow vor. »Planer. Ist das alles, was Sie dazu zu sagen haben? Zum ersten Kontakt zwischen den Decks seit Hunderten von Jahren…«
»Und dem letzten, wenn es nach mir geht.« Milpitas wandte Morrow das Gesicht zu; seine restaurierten Züge waren wie eine Skulptur, dachte Morrow abwesend, ein Ding aus kalten, harten Flächen und Kanten. »Schaff sie hier raus, Morrow. Bring sie wieder zu ihrer Dschungelwelt zurück.«
»War es ein Fehler von mir, daß ich sie hergebracht habe?«
»Schaff sie weg.« Milpitas’ Stimme und die schwellenden Halsmuskeln ließen Anspannung erkennen. »Bring sie raus!«
Sie fragte sich, wie sie wohl auf diese Photino-Wesen wirkte.
Sie hatten sicher genauso viele Schwierigkeiten mit der Wahrnehmung baryonischer Materie, wie sie als baryonisches Wesen mit ihrer Ortung hatte. Vielleicht sahen die Vögel ein bleiches Tetraeder, den schwachen Dunkelmaterie-Schatten des aus exotischer Materie bestehenden Interface-Gitterrohrrahmens, der die Grundlage ihrer Existenz darstellte. Vielleicht erahnten sie auch die Anwesenheit des Wurmlochs selbst, den Schlund aus Raum und Zeit, durch den die Wärme abgeführt wurde, die sie sonst umgebracht hätte.
Die alten Theorien harten postuliert, daß Partikel aus Dunkelmaterie mit den schwärmenden Protonen des Sonnenkerns kollidierten, einen kleinen Betrag ihrer Energie absorbierten und so Wärme vom Fusionskern ableiteten. Auf diese Art, so stellte man sich vor, wurde die Sonne von Dunkelmaterie gekühlt.
Sie realisierte jetzt, daß diese Vorstellungen im Grundsatz zwar stimmten, aber zu ungenau waren. Die Vögel absorbierten solare Wärmeenergie. Sie bezogen ihre Nahrung aus der Interaktion zwischen Protonen und dem sie umgebenden Plasma. Durch die Aufnahme von Energie aus der Wechselwirkung zwischen Photinos und Protonen wuchsen die Vögel, bewegten sich auf einem spiralförmigen Kurs vom wärmeren, dichteren Kern der Sonne weg und führten so die Wärmeenergie ab.
Die alten Theoretiker hatten einen auf Partikeln basierenden physikalischen Prozeß angenommen, der die Kernwärme ableitete und damit die Fusionsvorgänge unterdrückte. In Wirklichkeit jedoch ernährten sich die Vögel von der Wärme der Sonne.
Und durch diese Nahrungsaufnahme – wie dumme Parasiten – würden sie ihren Wirt schließlich töten.
Dumm – es sei denn, es hätte sich schon von vornherein um Vorsatz gehandelt.
Lieserl hatte von den Qax erfahren.
Ursprünglich waren die Qax turbulente Zellballungen in den Meeren
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