Xeelee 4: Flux
ertragen als die Unterstützung jedes anderen Städters.
Mit zunehmender Entfernung vom Stadtzentrum wurden die Korridore unbelebter, die Häuser traten zurück und die Luft wurde staubiger. Schließlich erreichten sie die Haut. Dieser Sektor war so dunkel und still, daß es fast schon unheimlich war. Die Hülle der Stadt erstreckte sich in alle Richtungen. Mit kritischem Blick beurteilte Adda die handwerkliche Qualität: gekrümmte, grob behauene Planken, die auf dicke Spanten genagelt waren. Er kam sich vor wie im Innern einer großen Maske. Von außen wirkte die Stadt durchaus eindrucksvoll, auch auf einen kosmopolitischen Oberströmler wie ihn, doch von innen betrachtet war sie primitiv zusammengezimmert. Diese Städter waren gar nicht so hochentwickelt, auch wenn sie Kernstoff verarbeiteten; die Ur-Menschen hätten über diese Holzkiste sicher nur gelacht.
Sie sprachen kein Wort, während sie langsam an der Haut entlangschwammen; schließlich verhielt Cris vor einer kleinen Luke, die in die Haut eingelassen war und mit einem Stellrad geöffnet wurde. Mit Bzyas Hilfe drehte Cris das schwergängige Rad – krächzend gab es nach, wobei eine Staubwolke aufwallte – und drückte die Tür auf.
Adda schob sich durch die Luke und tauchte in die offene Luft ein. Er entfernte sich ein paar Mannhöhen von der Stadt und schwebte dann in der Luft, wobei er begierig die frische Brise einsog. Die Gruppe hatte die quaderförmige Stadt ungefähr in der Mitte verlassen – in der Mittelstadt, wie Adda sich in Erinnerung rief –, und die dem Gesicht eines Giganten gleichende Haut von Parz füllte den halben Himmel aus. Ein Längengrad-Ankerband folgte in einem Abstand von einigen Dutzend Mannhöhen der Krümmung der Oberfläche; Elektronengas waberte an den Kernstoff-Flanken des Bandes, ein untrügliches Zeichen für die enormen Ströme, die durch die supraleitende Struktur flossen.
Addas Lunge schien sich auszudehnen. Die Feldlinien kreuzten den hellen Himmel und tauchten in das purpurne Becken ein, den Pol unterhalb der Stadt. Die Luft hier war dicht und schwül – schließlich standen sie direkt über dem Pol –, doch immer noch besser als in der Stadt, wo er immer den Eindruck gehabt hatte, anderer Leute Winde zu inhalieren.
Die beiden Jungen taumelten durch die Luft und schleppten das Surfbrett mit; zufrieden sah Adda, wie Farrs jugendlicher Elan sich wieder bemerkbar machte, während er mit kraftvollen Stößen durch die belebende Luft schwamm. Bzya schloß zu Adda auf; die beiden älteren Männer hingen wie Blätter im Magfeld.
»Diese Tür war wohl etwas schwergängig«, bemerkte Adda trocken.
Bzya nickte. »Nur wenige Leute benutzen die Fußgänger-Luken.«
Fußgänger. Noch so ein antikes, bedeutungsleeres Wort.
»Die meisten haben die Stadt noch nie verlassen. Und diejenigen, die es doch tun – weil sie es tun müssen, wie euer Deckenfarmer-Freund – nehmen dazu einen Wagen.«
»Hältst du das für gut?«
Bzya zuckte bloß die Achseln. Er trug einen zerschlissenen, schlechtsitzenden Overall, unter dem die Schultermuskeln sich wie selbständige Lebewesen abzeichneten. »Ich habe dazu keine Meinung. So sind die Dinge eben. Sind sie immer gewesen.«
»Nicht immer«, murmelte Adda. Mit dem Blick seines einen Auges überflog er den Himmel und sog die Luft ein. Er versuchte, die Spin-Wetterlage zu bestimmen. »Und vielleicht wird sich das demnächst auch wieder ändern. Die Stadt ist keineswegs immun gegen die Veränderungen, die durch diese unnatürlichen Störfälle verursacht werden. Sogar euer großer Führer Hork ist sich dessen bewußt.«
Mit einem Kopfnicken sah Bzya zu den Jungen hinüber. »Ich freue mich, daß Farr wieder einen etwas fröhlicheren Eindruck macht.«
»Ja«, sagte Adda lächelnd. »Das sind die Selbstheilungskräfte des Körpers. Wenn man Purzelbäume in der Luft schlägt, sind die Probleme schnell vergessen.«
Bzya klopfte sich auf den dicken Bauch. »Ich wünschte, ich wüßte noch, wann ich zum letztenmal einen Purzelbaum geschlagen habe. Aber ich weiß, was du damit sagen willst.« Nun hatte Cris das Brett in Position gebracht. Farr plazierte es auf den elastischen Linien des Magfelds, und Cris stellte den Fuß darauf, wobei er versuchsweise in die Hocke ging. Adda sah, wie der Junge die Muskeln anspannte, während er gegen das Magfeld drückte; die Arme waren ausgestreckt, und die Finger schienen die Luft zu kitzeln, als ob er Stärke und Richtung des Magfelds ermitteln
Weitere Kostenlose Bücher