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Xeelee 4: Flux

Xeelee 4: Flux

Titel: Xeelee 4: Flux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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ausgeschlafen hatten, würde sie die Leute flußabwärts führen. Flußabwärts und höher – tiefer in den Wald hinein, in Richtung der Kruste.
    Im Süden – flußabwärts – war die Luft dichter und das Magfeld stärker. Die Schweine mußten nach dem Störfall in diese Richtung geflohen sein. Doch es war allgemein bekannt, daß Reisen flußabwärts mit Risiken verbunden waren.
    Die Menschlichen Wesen folgten ihr mit gemischten Gefühlen.
    Der Wald war Heimat für vielfältige Lebensformen. Sechsbeinige Krusten -Krabben flohen vor Dura und ließen die zwischen den Bäumen gespannten Netze im Stich. Kokons von Egeln und anderen fremdartigen Kreaturen klebten wie bleiche, fleischige Blätter an den Bäumen.
    Ein Rochen schaute in ihre Richtung.
    Adda zischte eine Warnung. Dura preßte sich gegen den nächsten Baum, schlug die Arme um den Stamm und versuchte, möglichst flach zu atmen. Das Holz war hart und warm.
    Sie spürte einen Luft-Zug hinter sich; dann erblickte sie einen Schemen.
    Sie schob den Kopf nach rechts, wobei sie sich die Wange an der rauhen Rinde aufschürfte. Die Augen folgten dem lautlosen Flug des Rochens. Der Rochen glich einem transparenten Laken mit einer Spannweite von mindestens einer Mannhöhe. Sie kannte die Anatomie aller Tiere des Mantels: der Rochen besaß ein dünnes, zylindrisches Rückgrat und sechs winzige, kugelförmige Augen, die kreisförmig um das in der Mitte des Gesichts befindliche Maul angeordnet waren. Die Flossen des Rochens bestanden aus sechs breiten Häuten. Die Schwingen waren in gleichen Abständen um den Körper angeordnet. Der Rochen bewegte sich mit wellenförmigen Flügelschlägen fort, wobei Elektronengas aus den Rändern der Schwingen ausströmte. Der Rumpf war ebenfalls transparent, so daß die Flügel sich kaum von ihm abhoben; dafür sah Dura die Überreste einer Mahlzeit, die durch den zylindrischen Verdauungstrakt des Rochens transportiert wurden.
    Von den Menschen abgesehen, war der Rochen das einzige Lebewesen, das sich unter Zuhilfenahme der Extremitäten und nicht per ›Düsenantrieb‹ wie Schweine oder Eber fortbewegte. Weil er sich lautlos bewegte und sich nicht durch stinkende Abgase verriet, war der Rochen ein erfolgreicher Jäger. Das Maul war zwar klein, dafür aber mit einem scharfen Zahnkranz bewehrt.
    Der Rochen glitt über die vier Menschen hinweg, ohne sie erkannt zu haben. Dann verschwand er in der Dunkelheit des Waldes.
    Dura zählte bis hundert, ehe sie sich vom Baumstamm entfernte.
    Die Abstände zwischen den Feldlinien waren hier so gering, daß sie sich fast schon bündelten. Der Stern, dessen Rotation sich stetig verlangsamte, schob die Feldlinien allmählich vom Mantel weg… bis ein neuer Störfall eintrat und die Linien sich in tödliche Fragmente aufsplitterten, um sich dann wieder zu rekonstruieren.
    Die Luft wurde merklich dünner. Dura verspürte eine Beklemmung in der Brust, und das Herz leistete Schwerarbeit, um die Muskeln mit Energie zu versorgen; sie hörte, wie in verschiedenen Bereichen des Körpers mit einem leisen ›Plopp‹ Druckausgleich hergestellt wurde. Natürlich wußte sie, was hier vorging. Die Luft bestand aus zwei Komponenten, einem Neutronen-Suprafluid und einem Elektronengas. Das Neutronendefizit, das in dieser Zone herrschte, wurde durch das Gas freier Elektronen ausgeglichen. Als sie die Hand vors Gesicht hielt, sah sie die Elektronen in einem funkelnden Reigen um die Finger tanzen; die Konturen der dicht gepackten Blätter hoben sich vor der Glut ab.
    Doch nun schien ihr Sehvermögen nachzulassen. Die dünne Luft eignete sich nicht als Medium für die hochfrequenten Schallwellen, die ihr das Sehen ermöglichten. Und was noch schlimmer war, die Luft verlor die Suprafluidität. Sie wirkte nun klebrig und viskos, und als Dura sich wieder in Bewegung setzte, spürte sie eine Brise im Gesicht, leicht zwar, aber zweifellos präsent, die ihre Fortbewegung beeinträchtigte.
    Sie zitterte bei dem Gedanken, daß dieses klebrige Zeug das Netzwerk aus feinen Kapillaren verstopfte, welches die Muskeln mit Energie versorgte und von dessen Funktionsfähigkeit ihre gesamte Existenz abhing.
    Dies war kein Ort für Menschliche Wesen. Sogar die Schweine hielten sich nicht länger als nötig in der Nähe der Kruste auf. Mühsam sog sie die viskose Luft ein und spürte, wie sie zäh durch die Kapillaren rann; sie sehnte sich nach dem weiten Mantel unter dem Blätterdach zurück, nach der sauberen und frischen

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