Xeelee 4: Flux
frieren.«
Farr runzelte die Stirn. »Wie meinst du das?«
Anstatt zu antworten, grinste Adda nur. Er hob den Speer und richtete ihn parallel zum Baum und somit auch parallel zu den Flußlinien des Magfelds aus. Für ein paar Sekunden wog er die Waffe in der Hand und spürte die Dynamik des Feldes. »Paß gut auf«, sagte er schließlich.
Mit großen Augen blickte der Junge auf den vibrierenden Speer und wich dann zur Seite aus.
Adda stemmte sich gegen das Magfeld. In einer fließenden Bewegung – wenigstens das beherrschte er noch, beglückwünschte er sich – stach er den Speer tief in den Baumstamm. Der erste Stoß trieb die Spitze durch die Rinde und vielleicht noch eine Handbreit tief ins Holz. Dann trieb Adda den Speer wie einen Bohrer tiefer in den Ast, bis er vielleicht eine halbe Armlänge tief im Holz steckte.
Dann drehte Adda sich schwer atmend zu Farr um. »Jetzt«, sagte er heiser. »Jetzt kommt die Magie.«
Er drehte sich um und stellte sich dicht vor dem aufragenden Speer auf den Ast. Dann bückte er sich und packte den Schaft mit beiden Händen; nun zog er am Speer und setzte ihn als Hebel ein, um den Ast zu spalten.
Wenig später wurde ihm bewußt, daß er so etwas schon lange nicht mehr getan hatte. Die Hände waren schweißnaß, der Rücken schmerzte, und das Sehvermögen des gesunden Auges verschlechterte sich. Obwohl der Speer sich unter der Belastung durchbog, bestand die einzige Reaktion des Astes in einem Stöhnen.
Er ließ den Speer los und wischte sich die Hände an den Beinen ab; der Atem ging rasselnd. Er vermied es, dem Jungen in die Augen zu sehen.
Dann machte er sich wieder an die Arbeit.
Diesmal war Adda mehr Erfolg beschieden; ein Holzstück, das die Fläche seiner Brust hatte, löste sich vom Ast und hob sich wie ein Deckel. Adda drückte die schmerzenden Knie durch und entfernte sich torkelnd vom Ast. Nachdem er sich wieder erholt hatte, drehte er sich in der Luft und schwamm zu Farr und dem offenen Ast zurück, wobei er den Protest des Rückens und der Beine ignorierte. Mit Wohlgefallen betrachtete er sein Werk und nickte. »Ist gar nicht so schwer, wie es aussieht«, sagte er knurrend zu dem Jungen. »Früher habe ich das mit einer Hand gemacht… aber das Holz ist härter geworden, seit ich so alt war wie du. Hängt wohl mit diesem verdammten Spin-Wetter zusammen.«
Doch Farr hörte überhaupt nicht zu; statt dessen kroch er zu dem Loch im Ast und starrte fasziniert hinein. Das Holz am Rand der Öffnung war hellgelb, wie das Material, aus dem Adda den Speer geschnitzt hatte. Doch eine Handbreit tiefer glühte das Holz grünlich und strahlte eine Wärme ab, die Adda sogar noch in einer Entfernung von einer halben Mannhöhe spürte. Das Glühen des Holzes spiegelte sich in Farrs Gesicht und zauberte grüne Schatten um die Augen.
Dura, Logues stämmige Tochter, schloß sich ihnen an; sie lächelte Adda dankbar an, während sie neben ihrem Bruder in die Hocke ging und die Hände über der Glut wärmte. Im Schein des Feuers gestand Adda ihr sogar eine gewisse Attraktivität zu. Zumindest solange, wie sie ihren Körper nicht durch die Gegend wuchtete.
»Lektion Nummer Zwei«, sagte Dura zu Farr. »Wodurch wird das Holz entzündet?«
Er lächelte sie an, wobei die Augen die Glut des Holzes reflektierten. »Schwere Materie von der Kruste?«
»Ja.« Sie beugte sich zu Farr hinüber, so daß die Köpfe der Geschwister sich über dem glühenden Holz vereinigten und die Gesichter wie zwei Blätter leuchteten. »Protonenreiche Atomkerne auf dem Weg zu den Blättern«, fuhr Dura fort. »Der Ast ist wie ein Gehäuse, das dort, wo der Luft-Druck unterschritten wird, eine Röhre umschließt. Wenn dieses Gehäuse jedoch aufgebrochen wird, zerfallen die schweren Kerne in kürzester Zeit. Was du siehst, sind Atomkerne, die in der Luft verbrennen…«
Adda sah, daß Farrs Gesicht sich vor lauter Konzentration in Falten legte, während er diese nutzlose Neuigkeit memorierte.
Nutzlos?
Vielleicht, sagte er sich; doch diese wertvollen, abstrakten Fakten, die seit den frühesten Tagen der Menschlichen Wesen weitergegeben wurden – seit sie vor zehn Generationen aus Parz City vertrieben worden waren –, waren Schätze. Sie waren ein Teil dessen, was ihr Mensch-Sein ausmachte.
Also quittierte Adda Duras Versuche, ihrem Bruder Wissen zu vermitteln, mit einem zustimmenden Nicken. Die Menschlichen Wesen waren zwar in diese elektromagnetische Wildnis verbannt worden, aber deswegen waren
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