Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Xeelee 4: Flux

Xeelee 4: Flux

Titel: Xeelee 4: Flux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
die optimale Paßform des Kokons und reichte ihm Getränke und andere Erfrischungen. Muub, dem es partout nicht gelang, die Müdigkeit abzuschütteln, empfand den harmlosen kleinen Mann als lästig und verscheuchte ihn.
    Muub schaute nach unten. Pall Mall war die Hauptverkehrsstraße der Stadt. Sie stellte eine breite und hell erleuchtete Schneise dar, die durch die dicht bebaute Innenstadt von Parz geschlagen worden war – von den architektonisch anspruchsvollen Palästen durch die Wohngebiete bis zum Markt, dem großen, offenen Platz im Stadtzentrum. Die Empfangsgalerie befand sich am Anfang der Pall Mall, direkt unterhalb der Palastgebäude. Muub, der sich im Kokon zu entspannen versuchte, wurde im pastelligen Licht gebadet, das von den prächtigen Palastgärten ausstrahlte, und er überblickte die Stadt, als ob man sie ihm zu Füßen gelegt hätte. Die Pall Mall selbst glühte im Licht der Luft – Schächte und Holzlampen, welche die perforierten Wände säumten; die grün und gelb leuchtenden Schächte liefen auf dem Markt, dem staubigen Herz der Stadt, zusammen. Die breite Avenue, auf der normalerweise lebhafter Verkehr herrschte, lag heute verlassen, doch Muub erspähte Zuschauer, die in den Türen und auf Balkonen standen: anonyme Gesichter, die wie Sonnenblumen zu ihm emporschauten. Und auf dem Marktplatz selbst, der sich volle fünftausend Mannhöhen unterhalb des Palasts befand, war die Tribut-Prozession schon fast vollständig versammelt. Tausende von Leuten aus dem Volk waren zusammengekommen, um dem Komitee die erlesensten Früchte der Quartalsernte darzubringen. Dort unten gab es natürlich keine Kokons; statt dessen war ein Gerüst aus Seilen und Stangen auf dem Marktplatz errichtet worden, an denen die Leute sich festhielten oder auf der Suche nach einem Aussichtspunkt entlanghangelten. Muub, der auf das quirlige Treiben hinunterschaute, verglich diesen Anblick mit einem großen Netz voller Ferkel.
    Auf der Galerie selbst waren punzierte Lederriemen gespannt, um als Leitsystem für jene Komitee-Mitglieder und Höflinge zu dienen, die zu arm waren, um sich zu ihren Kokons transportieren zu lassen. Die kühle Luft der Galerie, die von Ventilatoren zugeführt wurde, war mit dem Duft edler Krusten -Blumen geschwängert. Vizepräsident Hork hatte bereits in der Muubs Nähe Platz genommen, neben dem für seinen Vater, Hork IV, reservierten Kokon. Der massige, bärtige Hork starrte mit düsterem Blick vor sich hin. Vielleicht die Hälfte der Höflinge befand sich bereits an ihrem Platz, doch sie hatten sich im rückwärtigen Bereich der Galerie versammelt; anscheinend ahnten die beschränkten und selbstsüchtigen Schranzen, daß heute nicht der beste Tag war, um dem zürnenden Vizepräsidenten unter die Augen zu treten.
    Die Mechanismen der sozialen Hackordnung griffen wieder. Es würde ein langer Tag werden.
    Aufgrund des jüngsten Störfalls hatte Muub schon einen langen Tag hinter sich. Den längsten in einer Reihe von langen Tagen. Er war Leibarzt der Ersten Familie und hatte außerdem eine Klinik zu leiten – daß er seinen Verpflichtungen im Krankenhaus der Öffentlichen Wohlfahrt weiterhin nachkam, war eine Bedingung für die Anstellung bei Hofe gewesen –, und die Belastungen, die wegen des Störfalls auf sein Personal zukommen würden, waren noch gar nicht abzusehen. Er studierte die dumpfen, hübschen Gesichter der alternden, geckenhaft sich gebärdenden Höflinge und fragte sich, wieviele Verletzte er wohl noch behandeln mußte, bis er endlich schlafen konnte.
    Schließlich wurde Vizepräsident Hork auf ihn aufmerksam und nickte ihm zu. Der massige Hork erweckte den Anschein eines Riesenbabies – was indes ein Irrtum war, wie mehr als ein Höfling schon zu seinem Leidwesen erfahren hatte. Horks von einem extravaganten Bart – ein extravagantes Imitat, sagte Muub sich despektierlich – bedecktes, kantiges Gesicht hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit dem aristokratischen Antlitz seines Vaters. Er hatte die gleichen stechenden und schwarzen, tief in den Höhlen liegenden Augen und die gleiche Hakennase, wobei diese edlen Züge jedoch im feisten Gesicht des jüngeren Hork verschwammen. Wo der Vorsitzende des Zentralkomitees also einen recht distinguierten Eindruck machte, wirkte sein Sohn und Erbe wie ein Bauernbursche, dessen ansatzweise vorhandenes aristoktratisches Aussehen lediglich dazu diente, seinen gewalttätigen Charakter zu unterstreichen. Heute indes machte Hork einen ruhigen

Weitere Kostenlose Bücher