Xeelee 4: Flux
haben sei. Der Kunde – ein massiger Mann mit einem primitiven Habitus, der in eine eng anliegende Robe gekleidet war – musterte Dura flüchtig und ging dann weiter.
Dura schauderte. Es hatte durchaus nichts Bedrohliches im Auftritt des Mannes gelegen, und sexuelle Gelüste schien er schon gar nicht verspürt zu haben. Vielmehr – und das war das eigentlich Unheimliche – hatte er überhaupt keine Regung gezeigt. Er hatte sie – sie, Dura, Tochter von Logue und Anführerin der Menschlichen Wesen – angesehen, wie sie einen Speer oder ein Messer betrachtete, tote Gegenstände.
In seinen Augen war sie ein Werkzeug gewesen, kein Lebewesen.
Und Toba versuchte noch immer, ihr zu erklären, was es mit Häuten auf sich hatte. »Wie du siehst, sprechen wir nicht von echten Schweinen.« Er lächelte gütig. »Das wäre ja auch absurd. Könntest du dir denn vorstellen, daß die Leute fünfzig oder gar hundert Luft-Schweine herumkarren, wenn sie Geschäfte miteinander machen? Die Geschäfte werden auf Kreditbasis abgewickelt. Eine Haut entspricht dem Wert eines Schweins. Also werden Häute – beziehungsweise der entsprechende Kredit – ausgetauscht, anstatt mit ganzen Schweinen zu handeln.« Er nickte ihr fröhlich zu. »Hast du das begriffen?«
»Wenn ich also einen Kredit von einer Haut hätte, könnte ich ihn gegen ein Schwein eintauschen.«
Er wollte ihr schon zustimmen, doch dann verzog er das Gesicht. »Äh… nicht ganz. Vielmehr ist es so, daß der aktuelle Preis eines Schweins – eines gesunden, ausgewachsenen Tieres – ungefähr viereinhalb Häute beträgt. Aber der Preis eines echten Schweins ist irrelevant… darum geht es überhaupt nicht. Begreifst du das denn nicht? Es hat mit Inflation zu tun. Das Luft-Schwein ist zwar Grundlage der Währung, aber…«
Sie drehte den Kopf weg. Sie wußte, daß es darauf ankam, die Lebensweise dieser Leute zu verstehen, wenn sie sich und ihren Stamm jemals aus dieser mißlichen Lage befreien wollte, doch die Flußlinien des Verstehens, die sie dabei kreuzen mußte, waren schier überwältigend.
Nun wurde sie von einem anderen Mann in Augenschein genommen. Er war klein, machte einen zerstreuten Eindruck und war in einen weiten Anzug gehüllt; die Haar-Röhren waren pink gefärbt. Er und Toba gaben sich die Hand. Anscheinend kannten sie sich. Der Mann rief sie aus dem Verschlag und unterzog sie der gleichen erniedrigenden Prozedur, die Farr bereits über sich hatte ergehen lassen müssen.
Dura versuchte, den Gedanken an den seltsamen kleinen Mann zu verdrängen, der sie befingerte. Statt dessen beobachtete sie den Gefangenen, der zwischenzeitlich zum hölzernen Rad geführt worden war. Die Wachen spreizten seine Arme und Beine und banden sie an vier Speichen fest. Dann legten sie ihm einen Strick um den Hals, so daß der Kopf mit der fünften Speiche verbunden war. Als Dura sah, wie der Strick ins Fleisch des Mannes einschnitt, zuckte sie zusammen und vergaß sogar ihre eigene Schmach.
Die Menge grölte und drängte sich in froher Erwartung um das Rad; trotz der bunten Kleider, die sie trugen, erinnerten die Leute Dura an äsende Luft-Schweine.
Toba Mixxax berührte sie an der Schulter. »Dura, das ist Qos Frenk. Er ist an deiner Arbeit interessiert… aber leider nur für fünf Jahre.«
Qos Frenk, der pinkhaarige Kunde, hatte die Musterung beendet. »Wir werden alle älter«, philosophierte er. »Aber fünfzehn Häute sind ein fairer Preis.«
»Toba Mixxax, wird das und die Gebühr für Farr die Kosten für Adda abdecken?«
Er nickte. »Wird gerade so hinkommen. Natürlich wird Adda sich auch eine Arbeit suchen müssen, wenn er wieder genesen ist. Und…«
»Ich akzeptiere das Angebot«, sagte sie resigniert zu Toba. »Sag’s ihm.«
Nun drehte das Rad sich um seine Achse.
Die Menge johlte. Die ersten Umdrehungen waren noch langsam, und der gefesselte Mann schien sogar zu lächeln. Doch dann erhöhte die Drehzahl sich, und Dura sah, daß der Kopf des Mannes ratternd gegen die Speiche schlug.
»Dura, ich kenne Qos«, sagte Toba. »Er wird dich gut behandeln.«
Qos Frenk nickte ihr nicht unfreundlich zu.
»Wie nah werde ich Farr sein?«
Toba zögerte und sah sie seltsam an. Qos Frenk machte einen verwirrten Eindruck.
Nun hatte das Opfer die Augen geschlossen und vor Schmerz die Fäuste geballt. Dura erinnerte sich, wie Adda von der Sau angegriffen worden war. Während der Mann herumgewirbelt wurde, verlor die Luft in den Kapillaren die Suprafluidität
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