Xeelee 4: Flux
keine anderen Denkmäler als Worte.
Schließlich hatte Rauc die Aufzählung beendet. Mit leerem Gesicht hing sie vor dem niederbrennenden, Radförmigen Feuer in der Luft. Dann rührte sie sich und ließ den Blick in die Runde schweifen, als ob sie gerade aus dem Schlaf erwacht wäre. Sie schwamm zu ihrem Mann zurück.
Die Gruppe zerstreute sich. Brow legte den Arm um seine Frau und ging mit ihr weg. Die anderen Pärchen verabschiedeten sich voneinander und schwebten davon.
Verstohlen beobachtete Dura Kae. Mit ausdruckslosem Gesicht schaute die Frau Brow und Rauc nach. Dann wurde sie sich Duras Anwesenheit bewußt. »Ich habe den Eindruck, daß du mich schon wieder einer Beurteilung unterziehst«, sagte sie lächelnd, wobei indes ein Anflug von Tadel in ihrer Stimme mitschwang.
»Nein. Aber ich glaube, ich weiß nun, welchen Kompromiß du eingegangen bist.«
Kae zuckte die Achseln. »Brow und ich sind die meiste Zeit zusammen. Rauc weiß das und muß damit leben. Doch Brow liebt Rauc. Dieser eine Tag mit ihr bedeutet ihm soviel wie hundert mit mir. Und damit muß ich leben. Wir müssen alle Kompromisse schließen, Dura. Auch du.«
Dura dachte an Esk, der schon lange tot war, und eine ähnlich schmerzliche Dreiecksbeziehung. »Ja«, sagte sie. »Wir müssen alle Kompromisse schließen.«
Kae bot ihr einen Schlafplatz an, irgendwo in dem Gewirr aus Netzen und Stricken, aus dem diese seltsame, lineare Stadt bestand. Dura lehnte dankend ab.
Dann verabschiedete sie sich von Kae. Die Holzfällerin nickte, und sie schauten sich mit dem Ausdruck des Verstehens in die Augen.
Dura stieß sich vom Baumstamm ab und trat Luft. Dann schwamm sie zurück zur Decken-Farm und ihrem sicheren, privaten Nest.
Als die Karawane sich unter ihr entfaltete, sah sie ein Dutzend Radförmige Feuer brennen.
13
BEGLEITET VON EINER NERVÖSEN Krankenschwester aus dem Krankenhaus zur Allgemeinen Wohlfahrt, betrat der verwundete alte Oberströmler den Palastgarten. Als Muub ihn erspähte, bedeutete er der Krankenschwester mit einem Wink – über die Köpfe neugieriger Höflinge hinweg –, ihn zu ihm zum Brunnen zu bringen. Dann widmete er seine Aufmerksamkeit wieder dem Ballett des suprafluiden Springbrunnens. Der Garten bildete den ›krönenden Abschluß‹ von Parz City und gleichzeitig die Kulisse für den Palast des Stadtkomitees. Der Garten war schon vor mehreren Generationen von einem Vorgänger von Hork IV angelegt worden. Doch war es dem Genius des jetzigen Vorsitzenden und seiner Liebe zur Natur zu verdanken, daß dieser Ort nun ein wahres Paradies war. Ein großzügiger Park mit einem geschmackvollen Ensemble exotischer Pflanzen und Tiere aus dem ganzen Mantel. Die niedrigen – aber extravaganten – Bauten des über den ganzen Park verteilten Palastkomplexes glitzerten wie Kernstoff-Juwelen auf edlem Tuch. Höflinge schwebten in Grüppchen durch den Garten, wobei sie wie farbenprächtige Tiere wirkten.
Muub war zwar kein großer Naturfreund, aber der Garten gefiel ihm trotzdem. Er legte den Kopf in den Nacken und schaute in die goldgelbe Luft. Der Aufenthalt unter den gekrümmten, funkelnden Feldlinien des Pols – und gleichzeitig im Schutz eines von Menschenhand errichteten Bollwerks – war eine wertvolle und vitalisierende Erfahrung. Die Tatsache, daß der Garten ein Artefakt war – ein Artefakt mit einer Ausdehnung von nicht weniger als einem Quadratzentimeter –, ein Museum mit gebändigter Natur, war ganz nach seinem Herzen… Der Garten bestärkte ihn im Glauben an die unbegrenzten Fähigkeiten der Menschen.
Diskret und aus der Perspektive des Mediziners musterte er den herannahenden Oberströmler. Addas Genesung machte zwar gute Fortschritte, aber er konnte noch immer kaum ohne fremde Hilfe gehen. Beide Beine waren noch in Gips, und der Oberkörper war bandagiert; die rechte Schulter wurde von einem hölzernen Panzer fixiert. Adda trug einen Turban aus Verbänden, und ein Augen-Egel labte sich im Winkel des noch intakten Auges des Alten.
»Ich freue mich, Sie zu sehen«, sagte Muub mit einem geschäftsmäßigen Lächeln. »Ich möchte mich mit Ihnen unterhalten.«
Düster musterte Adda Muubs kahlgeschorenen Kopf und die gediegene Kleidung. »Wieso? Wer oder was bist du?«
Muub hielt es für unter seiner Würde, sofort zu antworten. »Mein Name ist Muub«, sagte er schließlich. »Ich bin Arzt beim Komitee… und Leiter des Krankenhauses zur Allgemeinen Wohlfahrt, wo Ihre Verletzungen behandelt werden.« Er
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