Xeelee 4: Flux
beschloß, in die Offensive zu gehen. »Wir sind uns bereits begegnet, als Sie von einem unserer Bürger ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Bei dieser Gelegenheit – woran Sie sich sicher nicht mehr erinnern werden – hatten Sie gesagt, ich solle mich ›verpissen‹. Nun, ich hatte dieser Aufforderung nicht Folge geleistet und es statt dessen vorgezogen, Ihnen medizinische Versorgung angedeihen zu lassen. Dann habe ich Sie gebeten, heute im Garten mein Gast zu sein, als freundliche Geste gegenüber einem Menschen, der neu in Parz ist und noch dazu allein. Doch offen gesagt, wenn Sie nicht bereit sind, sich einer größeren Höflichkeit zu befleißigen, steht es Ihnen frei, wieder zu gehen.«
»Oh, ich werde mich schon benehmen«, grummelte Adda. »Wenn ich es Ihnen auch nicht abnehme, daß Sie meine Verletzungen aus reiner Gefälligkeit behandelt haben. Ich weiß sehr wohl, daß Sie ordentlich von Duras und Farrs Arbeit profitieren.«
Muub runzelte die Stirn. »Ach, Ihre Gefährten vom Oberlauf. Ja, ich weiß, daß sie eine Beschäftigung gefunden haben.«
»Sklavenarbeit«, zischte Adda.
Muub entspannte sich. Jeder, der am Hof von Hork IV überlebte, ertrug auch die Tiraden eines blinden, alten Narren vom Oberlauf. »Ich verbitte mir diese Sticheleien, Adda. Ich habe Sie eingeladen, damit Sie sich am Garten erfreuen – am Schauspiel –, und ich möchte mir nicht den Tag verderben lassen.«
Adda funkelte ihn noch für einige Augenblicke an, verzichtete aber auf eine Fortsetzung der Diskussion. Schließlich drehte er sich zum Brunnen um.
Der Suprafluid-Brunnen stellte den Mittelpunkt des Gartens dar. Er bestand aus einen Klarholz-Zylinder mit einem Durchmesser von zwanzig Mikron, der auf einem hohen, schmalen Podest verankert war. Im Innern des Zylinders schwebte eine pulsierende Kugel aus bläulichem Gas. Der Zylinder – der an sich schon horrend teuer war –, war mit fünf Bändern aus poliertem Kernstoff umwickelt. Eine Vielzahl von Stangen ragte aus der Innenwand. Fässer – mit den Konterfeis von Hork IV und seinen Vorgängern verzierte Behälter aus Holz – waren an diesen Stangen aufgehängt.
Schöne junge Akrobaten – nackte Männer und Frauen – drehten im Zylinder spektakuläre Pirouetten und bedienten die komplizierten Mechanismen. Das gleißende Blau der Feldlinien wurde vom Klarholz reflektiert, und die perfekten Körper der Aerobaten glühten golden in der Luft.
Adda, der Oberströmler, schnaubte ungehalten. »Haben Sie mich herbestellt, damit ich mir das ansehe?«
Muub lächelte. »Ich hätte auch nicht erwartet, daß Sie verstehen, was Sie hier sehen.«
»Dann sagen Sie’s mir«, sagte Adda mit unverhohlener Feindseligkeit.
»Suprafluidität«, sagte Muub und zeigte auf den Zylinder. »Im Zylinder herrscht Unterdruck. Das heißt, daß er fast luftleer ist… bis auf die Sphäre im Mittelpunkt. Die Luft ist blau gefärbt, damit man sie sieht. Die Bänder um den Zylinder erzeugen ein Magnetfeld. Verstehen Sie? Wie das Magfeld, nur künstlich. Die Stärke ist regelbar. Das Magnetfeld verhindert, daß der Zylinder durch den äußeren Luftdruck zerquetscht wird. Außerdem sorgt es dafür, daß die Luft im Zylinder an ihrem Platz bleibt.«
»Na und?«
»Also können wir die Luft – von der wir bekanntlich umgeben sind – quasi von außen betrachten.
Adda, Luft ist ein Neutronen-Suprafluid – eine ganz besondere Substanz, die Bewohnern anderer Welten wundersam erscheinen würde. Quanten-Zirkulation – das Phänomen, das den Spin in der Luft und damit die Entstehung des Magfelds verursacht – ist nur ein Aspekt. Schau’n Sie mal, wie die Behälter sich in der Luft-Sphäre heben und senken.«
Eine stattliche junge Aerobatin – ein Mädchen mit blau getöntem Haar – ergriff eine der aus dem Zylinder ragenden Stangen und drückte sie durch die Wandung aus Klarholz, worauf das Faß in die Sphäre aus blauer Luft kippte. Allerdings versank das Faß nicht vollständig; das Mädchen sorgte dafür, daß der Rand zwei bis drei Mikron über die Oberfläche der Luft hinausragte.
Blau gefärbte Luft kroch an den Seiten des Behälters hinauf und ergoß sich ins Faß. Wie ein lebendiges Wesen, sagte Muub sich. Dieses Schauspiel war doch immer wieder faszinierend.
Als das Faß bis auf das Niveau der Sphäre vollgelaufen war, zog die Aerobatin es langsam aus der Sphäre und brachte es wieder in die Ausgangslage; der Boden befand sich vielleicht fünf Mikron über der Oberfläche. Nun
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