Xeelee 5: Vakuum-Diagramme
der Geister, einer Konstruktion aus versilberten Seilen, die annähernd eiförmig war. Ein gutes Dutzend Geister hing in den Tauen – wie Fischlaich im Seetang.
Über mir sah ich Sterne, unter mir eine merkmallose öde Ebene, eine blutrote Nebelbank, die sich ins Unendliche ausdehnte.
Ein Geist kam auf mich zu.
»Sind Sie es, Botschafter?«
»Wir sind angekommen, Jack Raoul.«
»Wo angekommen?« Ich zeigte auf den blutroten Boden. »Was, zum Teufel, ist das?«
Der Botschafter schien sich zu amüsieren: Er rollte. »Das, Jack, ist ein Roter Riese. Verstehen Sie etwas von Astrophysik? Der Umfang dieses Sterns hier ist ungefähr so groß wie die Umlaufbahn der Erde. Wir sind jetzt knapp zwei Millionen Kilometer von ihm entfernt.«
Ich war bestimmt nicht zum ersten Mal im All. Und war auch sonst nicht mehr ganz grün hinter den Ohren. Aber das hier war neu für mich.
Ich spürte, wie sich das armselige menschliche Etwas in meinem Geisterpanzer verschreckt zusammenkrümmte.
Etwas Vergleichbares hatte ich noch nie gesehen.
Das Schiff tauchte in das Innere des Sterns ein.
Ich schrie auf und fasste entsetzt nach den Silberseilen. Rot glühend jagten Nebelbänke an uns vorbei und schossen nach oben. Die Geistermannschaft ging unbeeindruckt ihrer Arbeit nach.
»Großer Gott, Botschafter!«
»Ich konnte Sie leider nicht vorwarnen.«
Dann eine helle Schicht im Innern des Sterns. Wir stießen durch, und weit, weit unter mir – wie eine phantastische Stadtlandschaft, die man mit Natrium in Brand gesteckt hatte – loderte ein dichtes Flammenmeer. Und darunter wieder glühte irgendetwas Kleines, glühte heiß und gelb. Schnell, entsetzlich schnell stürzten wir durch feurige Wolkenbänke nach unten.
»Wie Sie ja vielleicht wissen«, hörte ich den Botschafter, »handelt es sich bei diesem Riesen um einen Stern im letzten Stadium seines Lebens. Er besteht zum größten Teil aus einem Gas, dessen Dichte nur etwa einem Tausendstel der Dichte der Erdatmosphäre entspricht. Seine Temperatur liegt deutlich unter der Temperatur, die auf der Oberfläche der Sonne herrscht. Kein Problem für Ihre neue Haut. Sie müssen also keine Angst haben.«
Das Schiff drehte jetzt nach rechts ab, wich eben noch einer gewaltigen Gewitterwolke aus, die sich zusehends verfinsterte.
»Der Ursprung einer Konvektionsströmung, eine Folge komplexer Aktivitäten im Kern«, erklärte der Geist.
»Kern?«
»Stellen Sie sich einen Weißen Zwerg vor – Größe und Masse etwa gleich der Sonne. Besteht inzwischen hauptsächlich aus Helium. An seiner Oberfläche kommt es aber nach wie vor zu Wasserstoff-Fusion.«
Der Geist kugelte selbstgefällig. »Dass Sie hier sind, dass dieses ganze Projekt überhaupt unternommen wurde – das, Jack, liegt an der Quantenmechanik. Haben Sie schon einmal vom Pauli’schen Ausschließungsprinzip gehört? Davon, dass zwei Quantenobjekte niemals in ein und demselben Zustand sein können? Vielleicht beruhigt es Sie ja, wenn ich Ihnen sage, dass der Entartungsdruck des Elektrons – auch er resultiert aus dem Pauliprinzip – verhindert, dass der Kern in sich selbst zusammenstürzt.«
»Sie haben sich also entschlossen, im Innern eines Sterns zu existieren, nur um der Entdeckung durch die Xeelee zu entgehen?«
»Wir erwarten uns davon natürlich noch andere langfristig nützliche Resultate.«
Wieder tauchten wir in eine helle Schicht. Unter uns drehte sich der Kern und strahlte heiß und hell. Etwa so heiß und hell, wie die Sonne die Erde bestrahlt. Sternpartikel trieben wie Smog über uns.
Hier hatten die Geister eine Stadt gebaut.
Auf einer felsigen Kugel, die beinahe zweitausend Kilometer im Durchmesser maß und einmal ein Mond gewesen sein musste – zerfurcht und durchlöchert mit Kanälen, Gräben und Hohlräumen. Geisterschiffe strichen über die pockennarbige Landschaft.
An den Polen leuchteten zwei riesige zylindrische Bauwerke. Intrasystemantriebe, wie mir der Botschafter erklärte, um den Mond auf seiner Umlaufbahn über dem Kern zu halten.
Unser Schiff näherte sich der Oberfläche der Stadtlandschaft – wegen der minimalen Gravitation schien es, als ob es vor den Schießscharten einer riesigen Wand schwebte – und glitt schließlich in eine Öffnung.
Ich drehte mich zu dem Botschafter um. »Ich will gar nicht erst so tun, als ob ich nicht beeindruckt wäre.«
»Selbstverständlich werde ich Sie nach unserer Demonstration mit allen Daten versorgen, die sie für Ihren Bericht
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