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Xeelee 5: Vakuum-Diagramme

Xeelee 5: Vakuum-Diagramme

Titel: Xeelee 5: Vakuum-Diagramme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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man als Zuckerwürfel bezeichnet hatte. Doch während dieser Zeit hatte man ihm Bilder, Klänge, Gerüche und taktile Profile von allen Welten des menschlichen Reichs präsentiert, und er hatte einen Eindruck vom Sturm der Seelen gewonnen, der die menschliche Rasse ausmachte. Er wusste nun, dass jede dieser Seelen einer in die Raumzeit geritzten Linie glich, mit einem eindeutigen Anfang, einer Selbstbewusstseins-Ausbuchtung und einem sauberen Ende. Die Rasse war ein riesiges dynamisches Diagramm aus Milliarden solcher Lebenslinien gewesen.
    Und er, Paul, hatte das Bild verschandelt.
    Seine Lebenslinie begann als enger akausaler Knoten um den Zuckerwürfel, wurde dann wie von einem Kunstbanausen als krakeliger Strich quer übers Bild gezogen und lief hier, am Ende der Zeit aus.
    Durch diese Biografie fühlte er sich nicht privilegiert. Sein Leben war ein Kunstprodukt aus dem Zufallsgenerator der Xeelee. Er vermochte wohl ins Innere der Sterne zu schauen… aber er hatte noch nie ins Herz eines Menschen geblickt.
    Verzweiflung überkam ihn. Wieso hatte man ihn an diesen Punkt in der Raumzeit gebracht und achtlos weggeworfen? Hatte er sich doch nicht geirrt, als er einen Anflug von Belustigung in der mächtigen Gedanken-Symphonie des antiXeelee entdeckt zu haben glaubte? War er wirklich nicht mehr als ein Spielzeug?
    Die Verzweiflung schlug in Zorn um und währte für eine lange Zeit.
    * * *
    Später packte ihn die Neugier auf das alternde Universum, in dem er sich befand. Er hatte natürlich keine Sinne: Weder Augen noch Ohren oder Finger. Dennoch versuchte er das Simulacrum eines menschlichen Bewusstseins zu konstruieren, um die Objekte und Prozesse um ihn herum in menschliche Begriffe zu kleiden.
    Es gab noch immer Sterne. Er sah gewaltige Zusammenballungen von ihnen, Bänder und Strahlen und komplexere Konstellationen.
    Offensichtlich hatten die Xeelee das Universum neu erschaffen.
    Doch es gab Anomalien. In vielen Raumsektoren fand er Supernovae, aufgeblähte Riesen und geschrumpfte Zwerge: Die Sterne waren gealtert, stärker gealtert, als er es erwartet hätte. Seit seiner Zeit auf dem Zuckerwürfel waren viele Millionen Jahre verstrichen – genug Zeit für die Xeelee, ihre galaktische Konstruktion zu vollenden –, doch war selbst diese riesige Zeitspanne unbedeutend im kosmischen Maßstab.
    Wieso wirkten die Sterne so alt?
    Er fand keine Antwort.
    Von Neugier getrieben, stellte er Experimente mit seinem Bewusstsein an. Physikalisch war er ein kompakter Knoten aus Quanten-Wellenfunktionen. Diesen Knoten öffnete er nun vorsichtig und ließ den Fokus des Bewusstseins über die Raumzeit gleiten. Bald hatte er das Gefühl, an der Wölbung des Kosmos entlangzufliegen, ohne den Beschränkungen von Raum und Zeit unterworfen zu sein.
    * * *
    Mit wachen Sinnes-Analogons durchstieß er die Ebene der Galaxis.
    Die Milchstraße war kaum wiederzuerkennen. Riesige Konstrukte, die zum Teil Lichtjahre durchmaßen, waren errichtet worden: Ringe, Fächer, Bänder aus Sternen, Sternen, die von riesigen Artefakten umkreist wurden – Ringen, Sphären, Polyedern. Die Komponenten-Sterne in diesen Himmels-Städten schienen nach strengen Kriterien ausgewählt oder vielleicht auch erschaffen worden zu sein. Hier war zum Beispiel ein Ring aus einem Dutzend Zwergen der Sol-Klasse, die einen düsteren roten Riesen umkreisten; wie Paul sah, umliefen die Zwerge das Zentral-Gestirn auf einem so engen Orbit, dass sie fast in die turbulenten äußeren Schichten des roten Gasriesen eintauchten. Die Zwerge in dieser Kette mussten sich einst wie ein Ei dem andern geglichen haben, doch hatte der Zahn der Zeit sichtlich an ihnen genagt: In einem der Zwerge schien eine Nova-Explosion stattgefunden zu haben – der geschrumpfte Kern war von einer Schale expandierenden und erkaltenden Schutts umgeben –, und die anderen Sterne erloschen allmählich. Der Wasserstoff-Brennstoff ging zur Neige, und große Flecken entstellten die leuchtenden Oberflächen.
    In der ganzen Galaxis stieß Paul auf Anzeichen des Niedergangs.
    Das, was er sah, bekümmerte und verwirrte ihn zugleich. Dass dieser Stern rascher alterte, hatte er schon früher bemerkt. Die zeitlichen Maßstäbe waren verschoben worden.
    Irgendetwas, irgendeine Macht hatte den Alterungsprozess der Sterne beschleunigt.
    Paul fiel unter die Ebene der Galaxis. Die große Scheibe hing wie eine Decke aus gequirltem Gold über ihm. Die Spiralarme waren zerfetzt: Die ausgefransten Spiralen waren mit

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