Xeelee 5: Vakuum-Diagramme
*
Die Funken-Sequenz des Reifens an der Tür war zufällig, soweit ich das zu beurteilen vermochte. Das galt auch für die Sequenz des anderen Reifens – nur dass es sich dabei um eine exakte Kopie der ersten Folge handelte, die um eine Nanosekunde zeitverschoben war.
Ich lehnte mich vorsichtig an eine Säule und schnaufte so kräftig, dass sich das Helmvisier beschlug. Dann versuchte ich, die Weiterungen dieser Vorgänge zu erfassen.
Denk nach. Ring A spricht mit Ring B, der die Botschaft nach einer Nanosekunde erhält. Jeder Ring hatte einen Durchmesser von einer Licht-Nanosekunde. Und der Abstand zwischen den Ringen betrug hundert Licht-Nanosekunden.
Dann resultierte die Verzögerung also aus der Struktur der Ringe – und die Kommunikation zwischen ihnen erfolgte in Nullzeit.
Ich schnaufte wie ein Blasebalg und sah fast nichts mehr durchs Helmvisier. Verzögerungsfreie Kommunikation: Dieser technische Volltreffer kam direkt nach dem Hauptgewinn, dem Hyperdrive…
Das Geheimnis musste Quanten-Verschränkung lauten. Wenn ein Objekt gespalten wird, sind die Einzelteile dennoch in der Lage, verzögerungsfrei miteinander zu kommunizieren. Leistungskurs Physik, das Beil-Theorem aus dem zwanzigsten Jahrhundert. Freilich hatte es bisher als undenkbar gegolten, mittels dieses Effekts Nachrichten zu senden.
Die Xeelee hatten tief ins Räderwerk des Universums eingegriffen. Das war fast schon blasphemisch.
Und höchst profitabel.
Die Ehrfurcht, die ich gefühlt hatte, verschwand. Ich hielt mich an der Säule fest und führte mit klackenden Absätzen eine Art Freudentanz auf. Das war verzeihlich. Das war nämlich der Höhepunkt in meinem Leben.
Und in diesem Moment stapfte ein riesiges außerirdisches Monster mit einem Phaser in die Halle. Wäre auch zu schön gewesen, um wahr zu sein.
* * *
Wenigstens war es kein Xeelee. Wenn wir auch fast nichts von ihnen wissen, dann immerhin so viel, dass sie von kleinem Wuchs sind. Die kreatürliche Angst, die mir ins Gebein gefahren war, wich einem Gefühl des Abscheus.
»Du bist mir gefolgt«, sagte ich ins Funkmikrofon des Anzugs. »Du bist mir nachgeschlichen, und nun willst du mich ausrauben und umbringen. Stimmt’s?« Beim Anblick des Phasers erinnerte ich mich wieder an den Witz. »Nicht wahr, Sir?«
Ich glaube nicht, dass das Ding Sinn für Humor hatte. Eine schlachtschiffgraue humanoide Silhouette hob sich gegen eine violette Türöffnung ab. Das Ding hatte den Kopf einer Comicfigur, und die Aktion spielte sich hinter einem Sichtfenster im Bauch ab, wo ich grotesk verzerrte Fratzen zu erkennen glaubte. Das Gebilde glich einer umgestülpten Tauchkugel, aus deren dunklem Innern skurrile Tiefsee-Kreaturen schauten.
Aber es hatte die Strahlenkanone. Auf eine technische Dokumentation verzichte ich an dieser Stelle; es genügt, dass es sich um eine Waffe handelte und dass sie auf mich gerichtet war.
Ich bezeichnete es als die Statue.
Das Schweigen zog sich in die Länge. Vielleicht, um den dramaturgischen Effekt zu erhöhen. Oder lag es eher daran, dass die auf Xeelee-Technik basierende Translator-Box, die um ein Metallbein geschnallt war, die unterschiedlichen Sprachbilder nicht auf Anhieb zusammenzuführen vermochte. Schließlich sprach die Statue.
»Wenn du gestattest, skizziere ich die Situation«, sagte das Ding mit maschinellem Raspeln. Der Bauch des Monsters zuckte im Takt. »Ich habe dein Schiff diskontinuiert. Ich schätze, deine persönliche Umgebung wird für nicht mehr als fünf menschliche Tage Bestand haben. Du verfügst weder über Waffen noch eine Verbindung zu deinen Kameraden – von denen im Umkreis von tausend Lichtjahren ohnehin keiner zu finden ist.«
Ich ließ mir das durch den Kopf gehen. »In Ordnung«, sagte ich. »Ich bin bereit, mit dir über Bedingungen für deine Kapitulation zu verhandeln.«
»Die Logik der Situation ist dergestalt, dass du sterben wirst. Hierfür wirst du diese Struktur verlassen und nach draußen gehen…«
Die Logik sagte mir sogar, dass ich schon tot war. Ich suchte fieberhaft nach einem Ausweg. »Du hast natürlich Recht.« Ich trat vor…
…wirbelte herum, riss einen blauen Reifen vom Ständer und legte ihn mir um den Hals.
Es war vorbei, ehe auch nur einer von uns zur Besinnung kam. Die stiebenden pinkfarbenen Funken erloschen.
* * *
Die Glieder der Statue waren starr, doch der Bauch zuckte konvulsivisch. Ich war außer Atem und kam mir blöd vor; der Reifen um den Hals mutete an wie eine Klobrille,
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