Xenozid
muß sich verstecken wollen«, sagte Wang-mu, die sehr gut verstand, warum sich eine Frau hinter dem Namen eines Mannes versteckte. Ich täte es auch, wenn ich könnte, damit ich auch von Welt zu Welt reisen und tausend Orte sehen und zehntausend Jahre lang leben könnte.
»Subjektiv ist sie erst in ihren Fünfzigern. Noch jung. Sie blieb viele Jahre auf einer Welt, heiratete und hatte Kinder. Doch jetzt ist sie wieder unterwegs. Nach…« Qing-jao sog scharf die Luft ein.
»Wohin?« fragte Wang-mu.
»Als sie ihre Heimat verließ, nahm sie ihre Familie auf einem Sternenschiff mit. Sie flogen zuerst nach Himmlischer Friede, kamen an Catalonia vorbei und setzten den Kurs dann direkt nach Lusitania!«
Wang-mus erster Gedanke war: natürlich! Deshalb hat Demosthenes sowohl Mitgefühl und Verständnis für die Lusitanier. Sie hat mit ihnen gesprochen – mit den rebellischen Xenologen, mit den Pequeninos. Sie hat sie kennengelernt und weiß, daß sie Ramänner sind!
Dann dachte sie: Wenn die Lusitania-Flotte dort eintrifft und ihre Mission erfüllt, wird Demosthenes gefangengenommen und kann nicht mehr schreiben.
Und dann fiel ihr etwas ein, das all das unmöglich machte. »Wie kann sie auf Lusitania sein, wenn Lusitania seinen Verkürzer zerstört hat? Haben sie das nicht als erstes getan, als sie revoltierten? Wie können uns ihre Schriften erreichen?«
Qing-jao schüttelte den Kopf. »Sie hat Lusitania noch nicht erreicht. Und wenn doch, dann erst in den letzten paar Monaten. Sie ist seit dreißig Jahren unterwegs. Sie ist vor der Rebellion aufgebrochen.«
»Dann hat sie das alles unterwegs geschrieben?« Wang-mu versuchte sich vorzustellen, wie man die verschiedenen Zeitflüsse aufeinander abstimmen konnte. »Um seit dem Aufbruch der Lusitania-Flotte so viel geschrieben zu haben, muß sie…«
»Muß sie jeden wachen Augenblick auf dem Sternenschiff damit verbracht haben«, sagte Qing-jao. »Und doch gibt es keine Unterlagen darüber, daß ihr Sternenschiff irgendwelche Signale ausgestrahlt hat, von den Berichten des Kapitäns einmal abgesehen. Wie hat sie ihre Werke auf so vielen Welten verbreiten können, wenn sie sich die ganze Zeit über auf einem Sternenschiff aufhielt? Es ist unmöglich. Irgendwo muß es Unterlagen über die Verkürzer-Sendungen geben.«
»Es ist immer der Verkürzer«, sagte Wang-mu. »Die Lusitania-Flotte sendet keine Meldungen mehr, und ihr Sternenschiff müßte etwas senden, tut es aber nicht. Wer weiß? Vielleicht sendet auch Lusitania geheime Meldungen.« Sie dachte an Menschs Leben.
»Es kann keine geheimen Meldungen geben«, sagte Qing-jao. »Die philotischen Verbindungen des Verkürzers bleiben bestehen, und wenn es auf irgendeiner Frequenz irgendeine Sendung gegeben hätte, wäre sie entdeckt worden, und die Computer hätten Unterlagen darüber.«
»Da haben wir es doch«, sagte Wang-mu. »Wenn alle Verkürzer noch miteinander verbunden sind und die Computer keine Unterlagen über eine Datenübertragung haben, obwohl wir wissen, daß es Übertragungen gegeben haben muß, weil Demosthenes die ganze Zeit über geschrieben hat, müssen die Unterlagen falsch sein.«
»Es gibt keine Möglichkeit, eine Verkürzer-Übertragung zu verbergen«, sagte Qing-jao. »Dazu müßte man im Augenblick des Empfangs der Sendung die üblichen Protokollierprogramme ausschalten und… jedenfalls ist es unmöglich. An jedem Verkürzer müßte ein Verschwörer sitzen und so schnell arbeiten…«
»Oder sie haben ein Programm, das es automatisch erledigt.«
»Aber dann wüßten wir von diesem Programm. Es würde Platz im Arbeitsspeicher und Rechenzeit beanspruchen.«
»Wenn jemand ein Programm erstellen kann, das die Verkürzer-Meldungen abfängt, könnte er dieses Programm dann nicht auch verbergen, so daß es sich nicht in den Arbeitsspeichern zeigt und keine Spuren der Rechenzeit hinterläßt?«
Qing-jao sah Wang-mu wütend an. »Wo hast du so viele Fragen über Computer gelernt, ohne zu wissen, daß solche Dinge einfach unmöglich sind?«
Wang-mu verbeugte sich und berührte mit dem Kopf den Boden. Sie wußte, daß sich Qing-jao ihrer Wut schämen würde, wenn sie sich derart erniedrigte, und sie sich danach wieder unterhalten konnten.
»Nein«, sagte Qing-jao, »es tut mir leid, es war nicht recht von mir, wütend zu werden. Steh auf, Wang-mu. Stelle deine Fragen. Es sind gute Fragen. Vielleicht ist es doch möglich, weil du es dir vorstellen kannst, und wenn du es dir vorstellen kannst,
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