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Xenozid

Xenozid

Titel: Xenozid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Card Orson Scott
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erwartungsvolle Schweigen im Raum machte klar, daß Miro keinem etwas verraten hatte. Doch sie alle wußten, so sicher, wie Quara es wußte, weshalb sie zusammengerufen worden waren. Es mußte sich um Quim handeln. Ender konnte mittlerweile zu Quim vorgestoßen sein; und er konnte sich über die Empfänger, die sie in den Ohren trugen, mit Miro unterhalten.
    Wenn Quim wohlauf wäre, hätte man sie nicht zusammengerufen. Man hätte es ihnen einfach gesagt.
    Also wußten sie es alle. Quara musterte ihre Gesichter, als sie auf der Schwelle standen. Ela sah betroffen aus. Grego mit wütendem Gesicht – immer wütend, der ungehaltene Narr. Olhado ausdruckslos, mit leuchtenden Augen. Und Mutter. Wer konnte die schreckliche Maske deuten, die sie trug? Sicherlich Trauer wie bei Ela und Zorn, so heiß wie bei Grego und auch die kalte, unmenschliche Zurückhaltung von Olhados Miene. Wir alle tragen so oder so Mutters Gesicht. Welcher Teil von ihr ist in mir? Was würde ich in Mutters verdrehter Haltung auf dem Stuhl erkennen, wenn ich mich selbst verstehen könnte?
    »Er starb an der Descolada«, sagte Miro. »Heute morgen. Andrew ist gerade dort eingetroffen.«
    »Sprich diesen Namen nicht aus«, sagte Mutter. Ihre Stimme war heiser vor Trauer, die sie kaum unter Kontrolle hatte.
    »Er starb als Märtyrer«, sagte Miro. »Er starb genau so, wie er es gewollt hätte.«
    Mutter erhob sich unbeholfen von ihrem Stuhl. Zum ersten Mal erkannte Quara, daß Mutter alt wurde. Sie schritt unsicher aus, bis sie sich direkt vor dem breitbeinig dastehenden Miro befand. Dann schlug sie ihn mit aller Kraft ins Gesicht.
    »Was soll das?« rief Ela. »Daß du Miro schlägst, wird Quim nicht zurückbringen!«
    »Er und dieses Juwel in seinem Ohr!« schrie Mutter. Sie holte erneut aus, und die anderen konnten sie trotz ihrer scheinbaren Kraftlosigkeit kaum zurückhalten. »Was weißt du schon darüber, wie jemand sterben will!«
    Quara mußte unwillkürlich bewundern, wie Miro ihr standhielt, wenngleich seine Wange von ihrem Schlag gerötet war. »Ich weiß, daß der Tod nicht das Schlimmste auf dieser Welt ist«, sagte Miro.
    »Verschwinde aus meinem Haus«, sagte Mutter.
    Miro erhob sich. »Du trauerst nicht um ihn«, sagte er. »Du weißt nicht einmal, wer er war.«
    »Wie kannst du es wagen, so etwas zu mir zu sagen!«
    »Wenn du ihn geliebt hättest, hättest du nicht versucht, ihn von seiner Mission abzuhalten«, sagte Miro. Seine Stimme war nicht laut, und er sprach so undeutlich, daß er kaum zu verstehen war. Alle anderen hörten ihm schweigend zu, voller Zorn, denn seine Worte waren schrecklich. »Aber du hast ihn nicht geliebt. Du weißt nicht, wie man Menschen liebt. Du weißt nur, wie man sie besitzt. Und da die Menschen sich niemals verhalten, wie du es von ihnen verlangst, Mutter, wirst du immer glauben, verraten worden zu sein. Und weil schließlich jeder einmal stirbt, wirst du dir immer betrogen vorkommen. Aber du bist die Betrügerin, Mutter. Du bist diejenige, die unsere Liebe ausnutzt, um uns beherrschen zu können.«
    »Miro«, sagte Ela. Quara erkannte den Tonfall in Elas Stimme. Es war, als wären sie wieder kleine Kinder, und Ela versuchte, Miro zu beruhigen, ihn zu überreden, zu einem milderen Urteil zu gelangen. Quara erinnerte sich, wie Ela so zu ihm gesprochen hatte, als Vater gerade wieder einmal Mutter verprügelt hatte, und Miro hatte erwidert: »Ich bringe ihn um. Er wird diese Nacht nicht überleben.« Jetzt war es genauso. Miro sprach scharf mit Mutter, sagte Worte, die die Macht zu töten hatten. Doch Ela konnte ihn nicht mehr rechtzeitig aufhalten, jetzt nicht mehr, denn die Worte waren bereits gesagt. Sein Gift war nun in Mutter, tat seine Arbeit, suchte nach ihrem Herz, um es zu verbrennen.
    »Du hast Mutter gehört«, sagte Grego. »Verschwinde.«
    »Ich gehe«, sagte Miro. »Aber ich habe nur die Wahrheit gesagt.«
    Grego ging zu Miro, faßte ihn an den Schultern und schob ihn zur Tür. »Du bist keiner von uns!« sagte er. »Du hast kein Recht, so etwas zu uns zu sagen!«
    Quara schob sich zwischen sie und sah Grego an. »Wenn Miro sich nicht das Recht verdient hat, in dieser Familie zu sprechen, sind wir keine Familie!«
    »Du hast es gesagt«, warf Olhado ein. »Geh mir aus dem Weg«, sagte Grego. Quara hatte schon oft gehört, daß er drohende Worte sprach. Doch nun, wo sie so dicht vor ihm stand, seinen Atem in ihrem Gesicht spürte, begriff sie, daß er die Kontrolle über sich verloren hatte.

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