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Xenozid

Xenozid

Titel: Xenozid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Card Orson Scott
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Populationen anzupassen, um die Temperatur auszugleichen und zu senken. Erinnerst du dich an das klassische Gedankenexperiment mit der Gänseblümchenwelt?«
    »Aber bei diesem Experiment gab es nur eine einzige Spezies auf dem ganzen Planeten«, sagte Wang-mu. »Wenn die Sonne zu heiß wird, wachsen weiße Gänseblümchen, die das Licht ins All zurückstrahlen, und wenn die Sonne zu kalt wird, wachsen dunkle Gänseblümchen, um das Licht zu absorbieren und als Wärme zu speichern.« Wang-mu war stolz, daß sie sich so deutlich an die Gänseblümchenwelt erinnern konnte.
    »Nein, nein«, sagte Qing-jao. »Du hast natürlich nicht verstanden, worauf es ankommt. Es kommt darauf an, daß es bereits dunkle Gänseblümchen geben muß, auch wenn die hellen dominant sind, und helle Gänseblümchen, wenn die Welt mit dunklen bedeckt ist. Die Evolution kann eine neue Spezies nicht auf Anforderung hervorbringen. Sie schafft ständig neue Spezies, während sich die Gene verändern und geteilt und von der Strahlung gebrochen und durch Viren zwischen einzelnen Spezies ausgetauscht werden. Daher entsteht keine Spezies jemals ›zielgerecht‹.«
    Wang-mu verstand den Zusammenhang noch nicht, und ihr Gesicht mußte ihre Verwirrung enthüllt haben.
    »Bin ich nach allem, was geschehen ist, doch noch deine Lehrerin? Muß ich meinen Teil der Abmachung halten, obwohl du deinen aufgegeben hast?«
    Bitte, sagte Wang-mu stumm. Ich würde dir auf ewig dienen, wenn du nur deinem Vater bei dieser Sache helfen würdest.
    »Solange die ganze Spezies zusammen ist und sich ständig vermischt«, fuhr Qing-jao fort, »verändern sich einzelne Individuen, genetisch gesprochen, niemals zu stark; ihre Gene werden ständig neu mit anderen Genen derselben Spezies kombiniert, so daß die Variationen bei jeder Generation gleichmäßig unter der Population verteilt sind. Nur wenn die Umgebung sie unter solche Beanspruchung stellt, daß eine dieser zufällig entstandenen abweichenden Züge plötzlich Überlebenswert hat, nur dann werden all jene in jener besonderen Umgebung, die diesen Wesenszug nicht haben, aussterben, bis das neue Merkmal, das früher eine gelegentliche Abweichung war, nun allgemein die neue Spezies definiert. Das ist der fundamentale Lehrsatz der Gaialogie – ständige genetische Abweichungen sind notwendig für das Fortbestehen des Lebens als solches. Diesen Unterlagen zufolge ist Lusitania eine Welt mit absurd wenigen Spezies, und es gibt dort keine Möglichkeit einer genetischen Abweichung, weil diese unmöglichen Viren ständig alle eventuell auftretenden Veränderungen korrigieren. Solch ein System könnte sich nicht nur niemals entwickeln, es wäre auch unmöglich, daß das Leben dort fortbesteht – es könnte sich keiner Veränderung anpassen.«
    »Vielleicht gibt es keine Veränderungen auf Lusitania.«
    »Sei doch nicht so töricht, Wang-mu. Der Gedanke, jemals versucht zu haben, dich zu unterrichten, beschämt mich. Alle Sterne fluktuieren. Alle Planeten verändern ihre Umlaufbahnen. Wir haben dreitausend Jahre lang viele Welten beobachtet, und in dieser Zeit haben wir gelernt, was die Wissenschaftler auf der Erde in all den Jahren zuvor niemals lernen konnten – welches Verhalten bei allen Planeten und Sonnensystemen allgemein üblich ist, und welches nur bei der Erde und dem Solsystem vorkommt. Ich sage dir, es ist unmöglich für einen Planeten wie Lusitania, mehr als einige wenige Jahrzehnte ohne lebensbedrohende Umweltveränderungen zu existieren – Temperaturschwankungen, Störungen der Umlaufbahn, seismische und vulkanische Zyklen… wie wollte ein System mit wirklich nur einer Handvoll Spezies jemals damit fertig werden? Wie will sich eine Welt, die nur helle Gänseblümchen hat, jemals aufwärmen, wenn ihre Sonne abkühlt? Wie will sie sich heilen, wenn der Sauerstoff in der Atmosphäre eine giftige Konzentration erreicht und all ihre Lebensformen Kohlendioxyd atmen? Deine sogenannten Freunde von Lusitania sind Narren, daß sie dir so einen Unsinn schicken. Wären sie echte Wissenschaftler, wüßten sie, daß ihre Ergebnisse unmöglich sind.«
    Qing-jao betätigte eine Taste, und das Display über ihrem Terminal erlosch. »Du hast Zeit verschwendet, die ich nicht habe. Komme nicht mehr zu mir, wenn du nichts besseres anzubieten hast. Du bist für mich weniger als nichts. Du bist ein Käfer, der in meinem Wasserglas treibt. Du verschmutzt das ganze Glas, nicht nur die Stelle, an der du schwimmst. Solange ich weiß,

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