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Xenozid

Xenozid

Titel: Xenozid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Card Orson Scott
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welche gelogen haben.‹
    ›Wenn wir einen Arbeiter haben, der nicht gehorcht, lassen wir ihn allein, und er stirbt.‹
    ›Ein Bruder, der zuviel lügt, hat keine Chance, ein Vaterbaum zu werden. Das wissen sie. Sie lügen nur, um mit uns zu spielen. Schlußendlich sagen sie uns immer die Wahrheit.‹
    ›Was wäre, wenn ein ganzer Stamm seine Vaterbäume belügt? Wie würdet ihr es jemals erfahren?‹
    ›Sprich lieber von einem Stamm, der seine eigenen Vaterbäume fällt oder abbrennt.‹
    ›Ist das jemals passiert?‹
    ›Haben sich die Arbeiter jemals gegen die Schwarmkönigin gestellt und sie getötet?‹
    ›Wie könnten sie das? Dann würden sie sterben.‹
    ›Jetzt verstehst du. Es gibt einige Dinge, die zu schrecklich sind, als daß man darüber nachdenken könnte. Statt dessen denke ich daran, wie es sich anfühlen wird, wenn ein Vaterbaum zum ersten Mal seine Wurzeln in den Boden eines anderen Planeten steckt und seine Äste in einen fremden Himmel streckt und Sonnenlicht von einem fremden Stern trinkt.‹
    ›Du wirst bald lernen, daß es keine fremden Sterne gibt, keine fremden Himmel.‹
    ›Nein?‹
    ›Nur Himmel und Sterne, mit all ihren Unterschieden. Ein jeder mit seinem eigenen Geschmack, und alle schmecken gut.‹
    ›Jetzt denkst du wie ein Baum. Der Geschmack des Himmels!‹
    ›Ich habe die Wärme vieler Sterne gekostet, und sie alle schmeckten süß.‹
     
    »Du bittest mich, mir bei deiner Rebellion gegen die Götter zu helfen?«
    Wang-mu blieb vor ihrer ehemaligen Herrin knien und schwieg. Im Herzen hatte sie Worte, die sie hätte sagen können. Nein, meine Herrin, ich bitte dich, uns bei unserem Kampf gegen die schrecklichen Ketten zu helfen, in die der Kongreß die Gottberührten gelegt hat. Nein, meine Herrin, ich bitte dich, dich an die angemessenen Pflichten gegenüber deinem Vater zu erinnern, die selbst Gottberührte nicht ignorieren dürfen, wenn sie rechtschaffen sein wollen. Nein, meine Herrin, ich bitte dich, uns dabei zu helfen, eine Möglichkeit zu finden, ein anständiges und hilfloses Volk, die Pequeninos, vor dem Xenozid zu retten.
    Doch Wang-mu sagte nichts, denn das war eine der ersten Lektionen, die sie von Meister Han gelernt hatte. Wenn du Kenntnisse hast, von denen eine andere Person weiß, daß sie sie braucht, gibst du sie bereitwillig. Doch wenn die andere Person noch nicht weiß, daß sie deine Kenntnisse braucht, behältst du sie für dich. Nahrung sieht nur für einen Hungrigen gut aus. Quin-jao war nicht hungrig auf Kenntnisse, die Wang-mu hatte, und würde es niemals sein. Also konnte Wang-mu lediglich Schweigen anbieten und nur hoffen, daß Quing-jao ihren Weg zu angemessenem Gehorsam, nüchternem Anstand oder dem Kampf für die Freiheit finden würde.
    Jedes einzelne dieser Motive würde genügen, solange sie Qing-jaos brillanten Verstand auf ihre Seite ziehen konnten. Wang-mu war sich noch nie in ihrem Leben so nutzlos vorgekommen, während sie Meister Han über die Fragen nachdenken sah, die Jane ihm gestellt hatte. Um über die überlichtschnelle Reise nachdenken zu können, studierte er Physik; wie konnte Wang-mu ihm helfen, wenn sie gerade erst in Geometrie unterrichtet wurde? Um über den Descolada-Virus nachdenken zu können, studierte er Mikrobiologie; Wang-mu wußte gerade erst, was Gaialogie und Evolution bedeuteten. Und wie konnte sie eine Hilfe sein, wenn er über Janes Natur nachsann? Sie war ein Kind von Arbeitern, und ihre Hände, nicht ihr Verstand enthielten ihre Zukunft. Philosophie stand so weit über ihr wie der Himmel über der Erde. »Aber der Himmel scheint nur weit entfernt zu sein«, sagte Meister Han, als sie ihm dies gestand. »In Wirklichkeit ist er überall um dich herum. Du atmest ihn ein und aus, selbst wenn du mit den Händen im Schlamm wühlst. Das ist wahre Philosophie.« Aber sie entnahm daraus nur, daß Meister Han freundlich war und nicht wollte, daß sie sich wegen ihrer Nutzlosigkeit Vorwürfe machte.
    Qing-jao jedoch wäre nicht nutzlos. Also hatte Wang-mu ihr ein Papier mit den Projektnamen und den Paßwörtern dafür gegeben.
    »Weiß Vater, daß du mir das gibst?«
    Wang-mu sagte nichts. In Wirklichkeit hatte Meister Han dies selbst vorgeschlagen, doch Wang-mu hielt es für besser, wenn Qing-jao zu diesem Zeitpunkt nicht wußte, daß Wang-mu als Gesandte ihres Vaters kam.
    Qing-jao interpretierte Wang-mus Schweigen genau so, wie Wang-mu vermutet hatte – als Eingeständnis, daß Wang-mu insgeheim gekommen war,

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